Kurt Ostbahn - Platzangst
bezahlt?“
„Er hatte im letzten halben Jahr vor seinem Auszug nicht bloß einmal die Polizei im Haus.“
„Erzähl“, sage ich, weil’s endlich interessant wird. Aber der Doc erzählt nicht. Er liefert nur weitere dürre Daten.
„Ab November stand das Haus dann leer. Und seit 1. Februar gibt es einen neuen Eigentümer, die Firma Sordi Gastro Ges.m.b.H., die in Wien, Graz und Salzburg italienische Speiselokale der Luxusklasse betreibt sowie Alleinimporteur von erlesenen italienischen Weinen und vorzüglichem Grappa ist.“
„Also zieht jetzt der Herr Sordi ein?“
„Ich schätze: nein“, sagt der Doc, und ich höre leisen Spott in seiner Stimme, „denn Herr Sordi, Giancarlo Sordi, ist tot. Er kam im August letzten Jahres bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Seine Privatmaschine stürzte auf dem Flug von Mailand nach Zürich in der Nähe des Como-Sees in ein Waldstück. Die Ursache des Unglücks konnte bis heute nicht restlos geklärt werden. Man vermutet Sabotage.“ „Die Mafia?“
„Ich weiß es nicht“, tönt es ungeduldig aus dem Chevy. „Und es ist nicht unsere Aufgabe, auch noch dieses Problem zu lösen. . .“
Aus der Kaltenbeck-Küche klingt dumpfes Hämmern herüber, ein ähnlich dumpfes Hämmern wie das in meinem Kopf. Aber ich versuche mir nix anmerken zu lassen, auch nicht, daß mir der Doc mit seiner altklugen Art ziemlich auf die Nerven geht.
„Wetten, daß unser Fettuccini mit dem Sordi oder Sordis Erben irgendwie verhandelt ist“, sage ich.
„Ein renommiertes Unternehmen wie die Sordi Gastro hat es nicht nötig, seine Mitarbeiter an den Pooltischen dubioser Nachtcafes anzuheuern, würde ich meinen.“
„Ahja. Wenn der Fettuccini aber nix damit zu tun hat, warum erzählst du mir das alles? Ich hab momentan wirklich . . .“ „Du hörst offenbar nicht genau zu“, fällt mir der Doc ins Wort, was ich noch nie leiden konnte und mich um neun Uhr früh sogar ziemlich in Rage bringen kann.
„Ich hör dir zu, Doc. Ich hör dir sogar ganz genau zu. Aber bei dem Wirbel kann es passieren, daß ich den einen oder anderen Beistrich überhört hab. Tut mir echt leid. Also was hab ich falsch verstanden?“
„Ich sagte vorhin, das Haus Auhofstraße 238 hat seit 1. Februar einen neuen Eigentümer.“
„Den Herrn Sordi, der letzten August mit dem Flieger abgestürzt ist. Weiß ich. Na und? Wahrscheinlich hat die trauernde Witwe ein paar Mille von ihrem Schweizer Bankkonto abgehoben und die Hietzinger Hütte gleich bar bezahlt, mit dem Schwarzgeld, das der Alte zu Lebzeiten per Privatjet in die Schweiz geschafft hat. So ist das bei vielen italienischen Familien der Brauch“, sage ich, weil ich das weiß.
Seit ich einen Kabelanschluß habe, surfe ich in den Fußballpausen immer durch die Kanäle, und auf mindestens einem Sender läuft dann garantiert ein Mafia-Thriller, bei dem viele schwarze Millionen auf Schweizer Konten für Mord und Totschlag sorgen; und fast immer ist eine trauernde Witwe mit im Spiel, die eine große Sonnenbrille aufhat und nach Zürich reist, um die Marie ihres weggesprengten oder von hinten erschossenen Gatten einzusacken, was wiederum ihren jugendlichen Liebhaber freut, der damit in New York ganz groß ins Drogengeschäft einsteigen will, wovon die Witwe aber nichts ahnt und in ihrer blinden Liebe eine Segelyacht oder ein schnittiges Motorboot besteigt, das dann mit einem mords Karacho in die Luft fliegt.
„Und du hast dich nicht gefragt, von wem die Sordi Gastro die Villa gekauft hat? Wer der Eigentümer war, der den Kasten an Frido Knapp vermietet hat?“
„Nein, Doc. Hab ich mich nicht gefragt“, sage ich, „aber ich nehme an, du wirst es mir gleich verraten.“
Der Doc macht eine dramatische Pause, die deshalb nicht so dramatisch ausfällt, weil nebenan eine Fliese auf den Boden kracht und in tausend Scherben geht.
„Fabian“, eröffnet mir der Doc, neben leisem Triumph auch echte Empörung in der Stimme.
„Fabian?“ frage ich.
„Ganz recht. Der Fabian!“
„Kenn ich nicht.“
„Fabian. Brot und Backwaren!“
Meine Verblüffung hält sich in Grenzen, denn zu dem Namen fällt mir nicht mehr ein, als die Brot- und Süßspeisenregale beim Billa. Da gibt es das günstige Toastbrot mit dem großen roten „F“ auf dem Etikett, und da gibt es Fabian-Kokosbusserln, Linzeraugen und Biskuitrouladen. Wäre meine Küche keine Baustelle, hätte ich vielleicht ein Stück Biskuitroulade aus dem Hause Fabian daheim, weil die wirklich saftig und
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