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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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Zeit, Herr Ostbahn“, sagt er und klopft die gesprungenen Keramikfliesen ab. „Das kostet uns sehr viel Zeit!“
    Und mir sehr viel Geld. Auch das steht ihm ins Gesicht geschrieben.
    „Haben Sie mit dem Vater nicht besprochen, daß der alte Boden und die Kacheln draußen sind, wenn wir heut anfangen?“ erkundigt sich der Junior, obwohl er es ohnehin ganz genau weiß, weil er und sein Herr Vater gemeinsam die Begehung meines zukünftigen Badezimmers vorgenommen hatten, und der Kostenvoranschlag von beiden Hasenöhrls ausgearbeitet wurde.
    Ich sage was von beruflicher Überlastung und kurzfristig angefallenen Verpflichtungen, die mich ins Ausland geführt hätten. Hasenöhrl Junior nickt dazu nur traurig mit dem Kopf, dann berät er sich leise mit dem Professionisten, den er mitgebracht hat, und der schickt den Lehrbuben mit einem Teil der Werkzeugkisten wieder hinunter zum Wagen.
    „Jetzt können wir eigentlich garnix machen“, meint er abschließend. Er wird seine Fachkraft mit auf eine andere Baustelle nehmen, einem Wasserrohrbruch in der Clementinengasse, und der Lehrbub wird sich ans Abschlagen der Fliesen machen, und morgen werden wir dann halt weiterschauen.
    „Großartig“, sage ich.
    „Wiederschauen“, sagen Hasenöhrl Junior und sein Mitarbeiter und lassen mich an der Stätte meiner Niederlage allein. Zuerst verfluche ich Axel und Ronnie, dann den Mörder aus der Auhofstraße und schließlich den Trainer, weil er nie zur Stelle ist, wenn man ihn braucht und ich mir den Kopf über Dinge zerbrechen muß, die mich im Grunde garnix angehen, und hilflos einem Helfer wie dem Doc ausgeliefert bin, der in diesem Fall offenbar selbst Hilfe braucht.
    Zu guter Letzt ziehe ich sämtliche Flüche wieder zurück und verfluche mich selbst. Was können die anderen dafür, daß ich mir ein Badezimmer einbilde, das Bad aber nicht so will, wie ich das gern hätte. Es ist im Grunde wie in der Liebe, die oft eine einseitige Sache ist. Man verknallt sich, verzehrt sich vor Sehnsucht und erkennt oft erst nach langem schwerem Leiden, daß im Leben der Angebeteten kein Platz frei ist für seine großen Gefühle. Alles schon erlebt. Mehrfach. Zuletzt gestern, mit einer amerikanischen Einbauküche.
    Dann kommt der Lehrbub wieder, den mir die Firma Hasenöhrl zum Abschlagen der Kaltenbeck-Kacheln dagelassen hat, ein schmächtiges, blasses Bürschchen mit fiebrigen Augen und einem bellenden Dauerhusten.
    „Grippe?“ sage ich, „wollen Sie ein Aspirin-C?“
    „Geht vielleicht ein Tee?“ krächzt er und bellt in die vorgehaltene Hand. Der Bursche gehört in den Krankenstand, aber nicht auf meine zugige Baustelle.
    „Leider“, sage ich. „Kein Warmwasser. Der Boiler is abgehängt.“
    „Macht nix“, sagt er, und nach einem neuerlichen Hustenanfall: „Eine Vitaminbrause wär eh auch super.“
    Als ich in der Küche stehe und der Tablette dabei zusehe, wie sie sich sprudelnd im Wasserglas auflöst, hupt der himmelblaue Chevy.
    Es ist kurz vor neun, und der Doc ist dran.
    Er habe verblüffende Neuigkeiten, sagt er mit einer Stimme, die mich vermuten läßt, daß er die ganze Nacht an seinen Denkmaschinen zugebracht hat. Und dabei handelt es sich angeblich um Dinge, die man nicht am Telefon besprechen kann.
    „Also: Wann kannst du da sein?“
    „Gamicht“, sage ich. „Der Hasenöhrl is da, es gibt nix wie Wickel, sein Lehrbub steht kurz vorm Lungeninfarkt, und ich kann unmöglich aus dem Haus.“
    „Wovon sprichst du?“ schnaubt der Doc.
    Also erkläre ich ihm meine Notlage, will wissen, worüber man nicht am Telefon sprechen kann, und äußere die dringende Bitte, mich nicht aus dem Haus und in seine Datenzentrale locken zu wollen, wenn die verblüffenden Neuigkeiten aus einem weiteren Satz erotischer Knapp-Fotos bestehen. Unerwähnt lasse ich, was die gestrige Bilderflut meinem Hormonhaushalt angetan hat, daß ich – quasi in Testosteron schwimmend – um ein Haar meine Nachbarin besprungen hätte und der Situation nur ohne gröberen Gesichtsverlust entkommen bin, weil ihr kleiner Sohn krähend nach frischen Windeln verlangt hat.
    Der Doc ist unüberhörbar eingeschnappt, aber er spricht noch mit mir.
    „Folgendes“, sagt er, „der Knapp hat im Oktober letzten Jahres das Haus geräumt, also zu Beginn der Heizperiode. Und ausgezogen ist er, weil sein Mietvertrag ausgelaufen war und von der Gebäudeverwaltung nicht mehr verlängert wurde. Aus verständlichen Gründen.“
    „Wieso? Hat er den Zins nicht

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