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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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erhebt sein Glas auf unseren baldigen Aufbruch.

16
    Bei einer Zimmertemperatur von maximal 14 Grad brauch ich eine kalte Dusche zirka so dringend wie einen Kropf am Hals. Aber Warmwasser gibt’s nun einmal keines, und ich will unbedingt den Angst- und Schweißgeruch loswerden, den ich mir im Savoy angezüchtet habe, ehe ich heute ins Bett falle. Fürs Schlafengehen hab ich mir dicke Skisocken, die lange Untergatte und ein firmeneigenes Sweat-Shirt mit dem vielleicht eine Spur zu optimistischen Aufdruck Gemmas wieder an! bereitgelegt.
    Ich trete unentschlossen vor der Duschkabine von einem Fuß auf den andern, ein großes Badetuch um die Hüften, den Heizstrahler auf Stufe 10, als es an der Tür klopft. Drei Mal. Zaghaft zuerst und dann immer heftiger.
    Die Sicherheitskette ist vorgelegt, also äuge ich durch den schmalen Türspalt hinaus auf den Gang. Gitti Kaltenbeck steht draußen, im rosa Badmantel mit den vielen fliegenden Jumbos oder Tumbos.
    „Stör ich eh nicht?“ sagt sie, nachdem ich die Wohnungstür kurz wieder geschlossen, die Kette aufgemacht und meine auch heute wieder heiter gestimmte Nachbarin hereingebeten habe. „Ich hab dich vorhin kommen gehört. Daß du einmal zu einer christlichen Zeit nach Haus findest is ja direkt ein Wunder, Kurtl!“
    Es ist kurz vor eins. Damit liege ich heute tatsächlich weit unter dem langjährigen Durchschnitt. Gitti macht unbekümmert einen Schritt in die Küche, bleibt dann aber wie angewurzelt stehen, ihre Augen werden riesengroß und in ihrem Gesicht macht sich fassungsloses Staunen breit.
    „Na, servas“, sagt sie. „Wie kurz nach der Sprengung.“ „Der Umbau, weißt eh“, sage ich. „Aber das is alles nur noch eine Frage der Zeit.“
    Der Anblick meiner Baustelle hat ihre bisherigen Vorstellungen über die Wohnkultur prominenter oder zumindest stadtbekannter Musikanten offenbar so sehr erschüttert, daß sie garnicht erst weiter in meine zugige Bleibe Vordringen will. Sie bleibt in Türnähe und verschränkt fröstelnd die Arme vor der Brust.
    „Ich wollt dir eigentlich nur sagen, daß irgendwann nach Mittag eine Firma Hasenöhrl bei mir angeläutet hat, weil du nicht daheim warst“, sagt sie, und jetzt erst weicht schön langsam das Staunen aus ihrem Gesicht und macht einem mitleidig besorgten Ausdruck Platz.
    „Ah, der Lehrbub“, sage ich. „Ziemlich marod, der Bursch. Daß der noch einmal wiedergekommen is, mit dem Tuberer.“
    „Also Lehrbub war das keiner. Und gehustet hat er auch nicht. Der war so in deinem Alter. Ein guter Vierziger. Aber ganz auf Sir. Ich hab zuerst geglaubt, der kommt vom Wiener Verein und will mir eine Sterbeversicherung andrehen.“
    „Das war dann eher der Hasenöhrl. Junior. Scheiße. Und was hat er gesagt?“
    „Nicht viel“, sagt Gitti, „nur daß du dich morgen bis neun melden sollst, falls du noch Interesse an seinem Angebot hast. Aber besonders freundlich hat er das nicht gesagt.“ „Hmm“, sage ich.
    Eigentlich hab ich nicht die geringste Lust, im Morgengrauen beim Hasenöhrl in demutsvoller Haltung vorstellig zu werden, damit er gnädigerweise noch vor Anbruch des nächsten Jahrtausends mit meinem beschissenen Badezimmer anfängt.
    „Wickeln?“ erkundigt sich Gitti.
    „Nie“, winke ich ab. „Aber ich kann dir leider nicht einmal was anbieten. Siehst ja selber. . .“
    „Kein Problem“, sagt Gitti. Schweigen. Und dann: „Tut mir übrigens leid. Wegen gestern.“
    Jetzt werden die Pausen zwischen unseren Sätzen länger als die Sätze selbst. Und gleichzeitig macht sich in der Küche eine ziemliche Hitze breit, an der nicht nur der Heizstrahler schuld sein kann.
    „Wieso? Da muß dir doch nix leid tun.“
    „Naja. Der Kleine mit seiner ewigen Scheißerei.“
    „War doch ein netter Abend.“
    „Abend is gut. Halb Drei. Aber nett war’s. Das stimmt.“ „Na also.“
    „Der Walter is übrigens bei meiner Schwester.“
    „Ah, hat er sich gerührt, dein Handyman?“
    „Ich red vom Kleinen!“
    Es gehört schon ein besonderes Talent dazu, eine Situation wie diese dermaßen gründlich in den Sand zu setzen. Dein Handyman. Scheiße. Das viele Schweigen, das mehr über den Stand der Dinge zwischen mir und Gitti Kaltenbeck zu sagen wußte als tausend Worte, ist jetzt natürlich dahin.
    „Das Arschloch hat sich nicht gerührt. Is eh besser so“, hält mich Gitti Stattdessen über ihr eheliches Fiasko am Laufenden. „Aber ich hab heut zirka hundert blinde Anrufe gehabt. Und kurz nachdem dein

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