Kurt Ostbahn - Platzangst
Auhofstraße, den Kellerschlüssel und zwei Blaue reicher.
Seinen Namen, Beruf oder die Handynummer hat der dicke Italiener nicht verraten. Und eigentlich haben ihn die Burschen auch nicht danach gefragt, denn nach sieben Fernet und doppelt so vielen Bieren belasten so viele Details nur die euphorisierte Birne. Ronnie und Axel führen ihn in ihrer imaginären Kundenkartei seit jener Nacht jedenfalls unter einem Decknamen: Fettuccini.
Unter den gegeben Umständen auf einer Wachstube vorstellig zu werden und dem diensthabenden Polizeibeamten den Fund einer Mumie zu melden, davon kann ich den Burschen, jetzt wo ich ihr vollständiges Geständnis vorliegen habe, nur dringend abraten.
Und das tue ich auch, nachdem ich mir mit der Papierserviette den Mund abgewischt und Messer und Gabel auf den noch halb vollen Teller gelegt habe. Der gemischte Salat blieb unberührt, von der Fuhr Bratkartoffeln ist noch gut die Hälfte übrig, und beim zweiten faschierten Laberl hab ich nach dem ersten Drittel das Handtuch geworfen. Der Quell-Poldl hat recht. Ich sollte mehr auf mich schauen.
„Okay. Keine Kieberei“, faßt Axel zusammen. Er trägt jetzt einen Bierbart und die vier großen Portionen Hopfenkaltschale haben die kranke Blässe aus seinem Gesicht vertrieben. „Aber was sollen wir sonst machen? Was würdest du an unserer Stelle tun?“
„Gute Frage“, sage ich.
Pause.
Dann fällt es mir wieder ein.
„Was ich tun würde? Ich würde dem Herrn Fettuccini seine zwei Blauen samt Kellerschlüssel zurückgeben, und würde zu ihm sagen, er soll sich um seine Leichen im Keller in Zukunft selber kümmern. Dafür seid’s ihr nicht zuständig. Und dann würde ich schräg vis-a-vis im Zwölferhaus endlich den Linoleumboden rausreißen. Das würd ich machen!“
Die Burschen schlucken. Und dann kommt mir Ronnie, der mehr als zwei vollständige Sätze hintereinander nur dann von sich gibt, wenn es garnicht mehr anders geht, mit dem nächsten und übernächsten Problem:
„Also der Scheißboden, das is in drei Stunden erledigt. Heut noch, wenns sein muß. Aber das mit dem Fettuccini. . . Krise. Das spielt’s so ned.“
„Und warum ned?“
„Is doch logisch!“ meldet sich Axel und schwenkt dabei aufgeregt sein Krügel, aber Ronnie bringt ihn mit einer kategorischen Geste gleich wieder zum Schweigen. Dann teilt er mir mit, daß das mit dem Fettuccini deshalb nicht so leicht geht, wie ich mir das vorstelle, weil die zweitausend Schilling bereits unterwegs sind nach New York, zusammen mit Ronnies gesamten Ersparnissen, weil dort nämlich ein Gitarrenbauer zu Hause ist, von dem ich sicherlich auch schon gehört habe, und dieser Kapazunder im Anfertigen maßgeschneiderter Stromruder, schnitzt ihm zur Zeit eigenhändig ein sechssaitiges Wunder von einer Klampfe, und Wunder haben heutzutage bekanntlich ihren Preis.
„Und außerdem“, setzt Axel ungerührt von Ronnies Ausführungen seine Fettuccini-Überlegungen fort, „außerdem können wir dem Bladen sein Geld und den Kellerschlüssel nicht zurückgeben, weil wir nicht wissen, wo er steckt! Der ist öfter im Savoy , sonst wissen wir null von ihm. Aber morgen muß der Keller leer sein. Wahrscheinlich kommen da die neuen Mieter oder Besitzer, keine Ahnung. Und noch was: Angenommen, der Fettuccini hat mit der Leiche was zu tun, direkt oder indirekt, dann sind womöglich der Ronnie und ich als nächstes dran, weil wir zuviel wissen.“
„Du, ich, aber natürlich auch der Kurtl“, ergänzt Ronnie seine Liste potentieller Fettuccini-Opfer.
Die Argumente der Burschen entbehren nicht einer gewissen Logik. Und so ziehe ich meinen Vorschlag zurück. Kein Fettuccini. Ist vielleicht besser so.
Ronnie würde die Leiche ja am liebsten in Frieden ruhen lassen, und zwar dort, wo sie jetzt ist, in ihrem kühlen Kellergrab, und das Loch in der Wand auf die Schnelle wieder zumauern und verputzen. Aber damit hat wiederum Axel ein Problem.
„Das kannst nicht machen“, sagt er.
„Klar kann ich das. Und wie ich das kann“, sagt Ronnie, bei dem ab dem vierten, fünften Krügel ungeahnte Kräfte frei werden.
„Erstens“, weist ihn Axel in die Schranken, „macht man so etwas nicht. Und zweitens würde der Verputz bis morgen nicht trocknen. Wenn der Fettuccini morgen früh in den Keller kommt, sieht er sofort, was los ist. Wir hätten heut die ganze Hacken und wären morgen genauso dran.“
„Richtig“, sage ich.
Dann macht sich brütendes Schweigen breit. Doch kurz bevor es in
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