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Kurtisanen leben gefaehrlich

Kurtisanen leben gefaehrlich

Titel: Kurtisanen leben gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Natascha Weber
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stieß gegen einen halb bearbeiteten Marmorblock, der hinter mir stand und bedenklich zu schwanken begann.
    »Eine wunderschöne Frau, nicht wahr?«
    Die Stimme, die in meinem Rücken erklang, so leise und sanft, brachte alle Härchen an meinem Körper dazu, sich aufzurichten. Ich drehte mich zaghaft zu ihr um, ahnte, wer zu mir getreten war.
    Dort stand die Frau, der zu begegnen ich so sehr gefürchtet hatte. Beatrice Santi hatte mich gefunden und nun sah ich mich der Artista gegenüber, die von einer greifbaren Aura der Macht umgeben wurde.
    Sie war majestätisch, wenn auch kleiner, als ich angenommen hatte. Die glatten, schwarzen Haare waren zu einem strengen Knoten gefasst und von einem zarten, weißen Schleier bedeckt. Scharfe, kühle Augen sahen mich darunter unverwandt an, nachdem sie sich von meiner Mutter gelöst hatten.
    Sie trug das weiße Kleid, das ich in meinem Traum gesehen hatte, und wirkte zerbrechlich, trotz der großen Macht, die in diesem schlanken Körper steckte. Wie alt mochte Beatrice Santi sein? Sie wirkte alterslos und schön, weder jung noch alt und ihre Züge waren klar, wie in Marmor gemeißelt. Doch trotzdem musste sie im Alter meiner Mutter sein.
    Mühsam griff ich nach dem letzten bisschen Mut, das mir geblieben war und sank ehrerbietig vor der Fürstin von Orsanto zu Boden, die kaum Notiz davon nahm.
    »Du ähnelst ihr auf verblüffende Weise, Ginevra. Ja, deine Mutter hat einen anderen Weg gewählt als ich. Sie hat sich die Freiheit genommen, nach der ich mich nur sehnen konnte und so hat sie mich verlassen, um ihr Glück zu finden.«
    Ich horchte auf und hob den Kopf zu ihr empor, als ihre Stimme wie aus einer weit entfernten, traurigen Vergangenheit zu mir drang und ihre dunklen Augen in die Ferne blickten.
    Diese Augen … Sie erinnerten mich an jemanden oder täuschte ich mich?
    Schließlich wandte sie sich zu mir um und bedeutete mir, mich zu erheben. Meine Stimme war leise und ungewohnt zurückhaltend. Ich musste mich räuspern, bevor ich die richtigen Worte fand.
    »Was meint Ihr damit, Signora Santi? Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
    Die Artista sah mich durchdringend an und setzte sich dann elegant auf eines der blausamtenen Sofas, bevor sie mich zu sich winkte und ich ebenfalls auf dem weichen Samt niedersank. Ihre Stimme war kühler geworden. Die Sanftheit war verschwunden und ließ darunter eine Härte spüren, die deutlich zeigte, wie es um den Willen dieser Frau bestellt war.
    »Wirklich nicht, Ginevra? Natürlich, sie hat es dir nie erzählt. Deine Mutter und ich waren unser Leben lang wie Geschwister und unser Band wird sich niemals lösen, selbst wenn sie sich dazu entschlossen hat, ihren eigenen Weg zu gehen und ihr altes Leben hinter sich zu lassen.«
    Ich schluckte und suchte auf dem rutschigen Samt nach einem Halt, den ich nicht zu finden vermochte. Ich spürte die Nachricht, die noch immer in meiner Bluse steckte, und zog sie mit unsicheren Fingern daraus hervor. Die Augen der Artista verfolgten jede meiner Bewegungen und etwas tanzte am Rande meines Bewusstseins entlang, entglitt mir jedoch, sobald ich es fassen wollte.
    »Signore Santorini hat gewünscht, dass ich Euch diese Nachricht überbringe ...«
    Ich reichte ihr das mitgenommen wirkende Pergament und sie nahm es entgegen und blickte das Siegel prüfend an, bevor sie es brach und das Schriftstück auseinanderfaltete. Aufmerksam begann sie, es zu lesen und ich meinte, auf ihren Lippen ein leichtes Lächeln zu erkennen. Es verschwand, als sie mich forschend anblickte und das Pergament mit Andrea Lucas elegant geschwungener Schrift sinken ließ.
    »Also ist es wahr. Andrea Luca hat sich seinen eigenen Weg gewählt. Niemals hätte ich vermutet, dass es ausgerechnet eine Kurtisane sein würde, doch ich vertraue seinem Urteil und dem Blut, das in deinen Adern fließt. Dem Blut deiner Mutter. Ich wusste, dass es eines Tages geschehen würde.«
    Ich blickte die Artista verständnislos an und öffnete den Mund, um sie zu fragen, was sie damit meinte, als ihr Blick zu dem Marmorblock glitt, gegen den ich zuvor gestoßen war. Ich hatte dem weißen Gebilde, das noch im Entstehen begriffen war, bisher wenig Beachtung geschenkt, doch nun sah ich es mir genauer an und der Schrecken fuhr kalt durch meine Glieder. Diese Statue trug mein Gesicht! Nur bis zur Hüfte behauen und geglättet, zeigte sie mir das nachtblaue Kleid mit den diamantenen Rosen, das Andrea Luca mir damals geschenkt hatte, als wir den Maskenball

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