Kurtisanen leben gefaehrlich
abgebildet sein mochte. Ich beachtete es nicht weiter, wandte mich zu Ophélie um, die damit beschäftigt war, mich unauffällig zu beobachten.
Erneut öffneten sich die zarten Lippen und ihre melodische Stimme erklang. Beinahe einlullend war sie und ich schüttelte benommen den Kopf, um die Schwere zu vertreiben, die sie in mir hinterließ. Ein Gefühl der Schwäche und des Unwohlseins ergriff mich, doch ich schob es auf die ungewohnte Umgebung.
»Madame Santi hat Kleider für Euch anfertigen lassen. Ihr werdet sie dort drüben im Schrank finden. Sie wünscht, dass Ihr passend gekleidet zu Eurer Audienz erscheint.«
Die betörende Stimme verstummte und mein Kopf wurde auf der Stelle klarer und ließ meine Gedanken kreisen. Also hatte Beatrice Santi mich neu einkleiden lassen. Ein zu großer Aufwand für einen Gast, der nicht lange bleiben würde. Ich behielt meine Gedanken für mich und setzte meinerseits die lächelnde Maske auf, die mir schon zuvor von Nutzen gewesen war.
»Ich danke Euch, Ophélie. Ich denke, ich werde mich nun zu Bett begeben, um Madame in angemessener Verfassung begegnen zu können.«
Die Mondiénnerin neigte den Kopf und drehte sich dann um, um in den Flur zu treten und mich allein zu lassen. Doch bevor sie den Raum verließ, blickte sie über die Schulter zurück und ihr Lächeln war noch ein wenig breiter geworden.
»Scheut Euch nicht, nach mir zu rufen, Mademoiselle Cellini. Ich werde Euch hören, wenn Ihr mich braucht.«
Sie lachte rätselhaft, ehe sie aus dem Raum huschte und die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Allein gelassen blickte ich mich in dem großen Zimmer um. Durch das geöffnete Fenster drang die abgekühlte Nachtluft herein. Eine Waschschüssel und ein Krug standen neben der Kommode auf einem Tischchen. Zumindest wusste Beatrice Santi, wie man einen Gast behandelte, auch wenn es mir übertrieben erschien, neue Kleider für mich schneidern zu lassen.
Neugierig ging ich zu dem riesenhaften Wandschrank hinüber, ohnehin davon überzeugt, dass ich in diesem Palazzo keine Ruhe finden würde, und zog eine der schweren Holztüren auf, um hineinzusehen.
Erschrocken wich ich zurück, als ich sah, welcher Art die Kleider waren, die die Herrin dieses Hauses für mich hatte anfertigen lassen. Es waren die weißen, hochgeschlossen Kleider einer Artista und die passenden Schleier, die mein Gesicht verbergen würden.
Hastig schlug ich die Tür zu und setzte mich mit unsicher gewordenen Beinen auf das Bett, das mich in weiche Federn einsinken ließ.
Was hatten diese Kleider zu bedeuten? Wollte Beatrice Santi tatsächlich eine Artista aus mir machen oder war es ihre Art von Humor, Kurtisanen auf diese Art zu quälen? Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte zu dem Schrank hinüber. Es war, als sei ich erneut in einem Albtraum gelandet.
Warum hatte Andrea Luca mich an diesen Ort gelockt? Und was wollte Beatrice Santi damit erreichen? In meinem Kopf drehte sich alles. Ich fiel zitternd in die Kissen und zog die Beine nah an meinen Körper heran.
Es war entsetzlich kalt in diesen Räumen und ich wollte nichts lieber, als von hier zu verschwinden, um der Artista und ihren Machenschaften zu entkommen. Doch war dies überhaupt noch möglich? Oder war ich wie ein hilfloses Insekt in ihrem Netz gefangen und vollkommen ihrem Willen ausgeliefert?
Kapitel 36
E
ine Ewigkeit schien zu vergehen, bis ich in einen unruhigen Schlaf hinüberglitt, aus dem ich immer wieder erwachte, um auf jedes Geräusch in dem unheimlichen Palazzo zu lauschen. Trotzdem gelang es mir, ein wenig Ruhe zu finden, bevor ich der Herrin dieses Hauses begegnen musste.
Schon die ersten Strahlen der Sonne, die durch das hohe Fenster hereinschienen, ließen mich mit schweren Gliedern und hämmernden Kopfschmerzen erwachen. Ich bewegte schwerfällig meinen Körper aus dem Bett, um mich frisch zu machen, bevor Ophélie erschien, um mich zu der Artista zu bringen.
Das Licht vermochte es kaum, das Zimmer zu erhellen, denn das Fenster war von Rosenranken überwuchert und ließ mich durch die langen Dornen und dunkelroten Blüten wenig von der Umgebung des Palazzo erkennen.
Alles schien düster und grau und meine Stimmung reagierte auf mein Umfeld, das mir die Luft zum Atmen nahm. Wieder und wieder krochen die Gerüchte um Beatrice Santi in meine Gedanken und ich verwünschte Andrea Luca, der mich in ihre Obhut gesandt hatte, obgleich er doch wissen musste, was mich hier erwartete.
Oder hatte die Artista ein
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