Kurtisanen leben gefaehrlich
bemerkt, dass ich nicht mehr in meinen Gemächern verweilte und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie mich finden würde. Schließlich kannte sie sich hinter diesen Mauern aus, was ich nicht von mir behaupten konnte.
Der Lichtschein erhellte bald größere Teile des Flures, je näher ich an seine Quelle heranging. Ich war erstaunt, dass es im Palazzo Santi tatsächlich einen hellen Flecken gab, der nicht der allgegenwärtigen Dunkelheit anheimgefallen war.
Endlich hatte ich den hohen, bogenförmigen Durchgang erreicht und spähte um die Ecke, in einen Salon hinein, durch dessen hohe Fensterfront das Licht der Sonne ungehindert eindringen konnte.
Keine Spur von Verfall und Staub konnte ich in diesem Raum entdecken, in dem feine Porzellanfiguren in gläsernen Vitrinen der Blicke überraschter Besucher harrten. Ich ließ meine Augen über den kristallenen Leuchter, der im Sonnenlicht in allen Farben funkelte, und den dunkelblauen Samt gleiten, der die Möbel mit seiner schimmernden Weichheit überzog. Der Salon war hell und weitläufig. Nahezu lebensgroße Gemälde hingen an den Wänden und zogen meinen Blick unweigerlich auf sich.
Neugierig blickte ich zu den Dargestellten empor und schlug die Hände vor den Mund, um nicht aufzuschreien. Ich sah Andrea Luca, so lebendig, als stünde er vor mir. Alesia della Francesca direkt neben ihm, das süße Puppengesicht mit dem rosigen Mund zu einem erfreuten Lächeln verzogen. Auch Sante Santorini war an der Seite seines Sohnes zu sehen. Sein muskulöser Körper saß bequem auf einem goldenen Stuhl, der liebevolle Blick seiner dunklen Augen war auf denjenigen gerichtet, der ihn so gemalt hatte.
Schreckerfüllt fuhr ich herum, nur um Pascale Santorini in die kalten, grausamen Augen zu sehen. Daneben Battista Vestini von Serrina, der der jüngere Bruder meiner Mutter sein musste und der Pascale wenig in seiner Gefühllosigkeit nachstand. Dann Lorenzo Mantegna von Arnola, stolz und gerade aufgerichtet, wie es sich für einen Erben der Tiberer geziemte. Er war der einzige der männlichen Fürsten, dessen Augen Wärme auszustrahlen vermochten. Auch die ehrgeizige Fürstin Alessandra Barile von Aliora, ihrerseits eine Artista, starrte neben den Männern auf mich herab. Ich musste schmerzhaft schlucken, als ich alle Oberhäupter der großen Blutlinien hier versammelt fand und erkannte, welch feines Netz Beatrice Santi gesponnen hatte.
Ich verstand nicht, warum die Santorini Familie zu einem solch hohen Anteil hier vertreten war und ich war mir nicht sicher, ob ich die Gründe erfahren wollte. Hektisch griff ich nach dem Pergament, das an seinem Platz in meiner Bluse steckte, wollte es einerseits öffnen und andererseits davonlaufen, um all das zu vergessen, was ich gesehen hatte. Doch dann ließ ich meine Hand sinken, drehte mich von Übelkeit erfüllt um, um auch die anderen Bilder anzusehen, die hinter mir angebracht waren. Das Blut in meinem Kopf pochte so stark, als wolle er zerspringen.
Suchend glitt mein Blick über die Wände, streifte die wichtigsten Persönlichkeiten Terranos und das, was ich fand, ließ mich in stillem Entsetzen erzittern. Eine schöne, junge Frau blickte von ihrem Platz an der Wand auf mich herab. Ihr Teint war viel zu hell für eine Terrano und auch ihre Augen, die von der Farbe des Meeres waren, sprachen nicht für die Reinheit ihres Blutes. Unbezähmbare, dichte schwarze Locken wellten sich über ihren Rücken und ihr voller Mund lächelte voller Lebensfreude. Die Energie, die von ihr ausging und die in ihren funkelnden, saphirfarbenen Augen lag, war noch durch das Bild hindurch zu spüren.
Ich kannte sie gut, konnte ihr helles Lachen und ihre dunkle Stimme hören, die der meinen so ähnlich war. Fürstin Fiora Vestini stand vor mir, so lebensecht, als würde sie gleich aus dem Rahmen hinabsteigen, um mich in die Arme zu schließen. Ja, dies war meine Mutter. Doch das Kleid, das sie trug, machte sie mir fremd, denn es war das weiße Kleid einer Artista, wenngleich der Schleier fehlte und ihr Gesicht frei zu erkennen war.
War es dieses Bild, das Alesia gesehen hatte? War sie in diesem Raum gewesen und kannte deshalb meine Mutter und meine wahre Identität? Und was war mit Andrea Luca? Hatte er immer gewusst, wer ich wirklich war, auch wenn ich es selbst nicht tat? Voller Bestürzung blickte ich in das geliebte Gesicht meiner Mutter und fragte mich, in welch dicht gesponnenes Intrigennetz ich geraten war. Ich stolperte fassungslos zurück und
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