Kurtisanen leben gefaehrlich
Schweigen. Während Ophélie mich böse anstarrte, hatte Beatrice Santis Gesicht einen verträumten Ausdruck angenommen, der auf ihren sonst stets harten Zügen merkwürdig fehl am Platze wirkte und mich über die Gründe dafür rätseln ließ.
Sie sah aus, als seien ihre Gedanken tief in eine Vergangenheit gewandert, die niemand außer ihr sehen konnte. Ich wunderte mich, was einen solchen Wandel in der Fürstin von Orsanto ausgelöst haben mochte. Sicherlich suchte Porto di Fortuna in ihrer Schönheit Ihresgleichen, doch ich hatte die Fürstin zuvor nicht als besonders empfänglich für solcherlei Reize empfunden und beobachtete sie in mildem Erstaunen, bis die Kutsche anhielt und der Kutscher die Tür öffnete.
Vorsichtig stieg ich aus dem Gefährt und sah mich in meiner Umgebung um. Es dauerte nicht lange, bis ich feststellte, dass wir uns an einem erhöhten Punkt der Stadt befanden, an dem einige der adeligen Familien ihre Palazzi errichtet hatten. Tatsächlich war ich schon einige Male zuvor an diesem Ort gewesen und so kannte ich viele der hier erbauten Villen, hätte dabei aber niemals vermutet, dass diese prachtvolle Villa, mit den marabeshitischen Mosaiken, Beatrice Santi gehörte. Geschweige denn, dass sie überhaupt ein Anwesen in Porto di Fortuna ihr Eigen nannte.
Es beunruhigte mich nicht, dass das Gebäude mit den bunten Steinchen verziert worden war, gab es doch einige Bauwerke in Porto di Fortuna, die an dieses Vorbild angelehnt waren, was wohl eine Folge der engen Handelsbeziehungen zu Marabesh war. Nun, zumindest für meinen Geschmack waren diese Beziehungen ein ganzes Stück zu weit gegangen.
Die Villa war ein imposantes, lang gezogenes Gebäude mit runden Bogenfenstern, die hinter den Säulen eines Balkons verborgen waren, der dem zweiten Stock vorgebaut worden war. Aus den Gärten trieb der Duft der wundervollen, von einem Gärtner gepflegten Blüten zu uns herüber. Der Gesang kleiner, bunter Vögel, die fröhlich ihre Liedchen zwitscherten, untermalte die Atmosphäre stimmungsvoll.
Dieses Gebäude war kein Vergleich zu dem unheimlichen Palazzo Santi, der die Besucher eher abschreckte, als sie anzuziehen. Ich begann unwillkürlich damit, ein wenig von meiner inneren Anspannung abzulegen, als wir auf die Villa zu traten. Ein Diener in einer roten Livree öffnete mit einer Verbeugung die Tür, um seine Herrin und ihre Gäste zu begrüßen und sofort ihre Anweisungen entgegenzunehmen.
Neugierig blickte ich mich in dem Gebäude um, in dem es keine unheilvollen Erinnerungen an die Vergangenheit zu geben schien. Auf den ersten Blick nahm ich keine Porträts an den Wänden wahr, sah keinen Staub und keine Spinnennetze, sondern nur glitzernde, kristallene Lüster, die im Luftzug der geöffneten Fenster ihr leises Lied sangen, und weiße Marmorstatuetten, die die Räume dekorierten. Der frische Duft nach Orangenbäumen aus den Gärten zog durch die Fenster herein und unterstrich den Eindruck eines gemütlichen Heimes voller Licht und Luft, in dem man sich gerne aufhielt und zu dem man gerne zurückkehrte.
Ich war mehr als überrascht, als ich mich umsah und dabei die leichten Möbel aus dunklem Holz wahrnahm, die auf den hellen Teppichen aus Marabesh standen und zum Verweilen einluden. Wie konnte es sein, dass Beatrice Santi an zwei solch unterschiedlichen Orten lebte?
Eine enorme Schar von Dienern tauchte nach und nach in den Räumen auf, begrüßte die Fürstin voller Zuneigung und begann dann damit, die Truhen in die jeweiligen Zimmer zu bringen und alles zum Wohle ihrer Herrin herzurichten.
Auch ich wurde freundlich empfangen und mir wurde ein rosiges Mädchen mit schwarzem Haar und dem klangvollen Namen Emilia zugeteilt, das mich zu meinen Räumlichkeiten begleiten sollte. Ich folgte ihr nur zu gerne, um dem entstandenen Trubel zu entkommen, und erinnerte mich erstaunt an das Gesicht der Artista, als sie zu mir herübergesehen hatte. Alle Härte war daraus verschwunden und sie wirkte wie ein junges, gerade aufgeblühtes Mädchen, das seinen Geliebten in Kürze empfangen würde, um romantische Stunden mit ihm zu teilen.
Neugierig lief ich hinter Emilia her, die mich über Treppen und durch Flure dirigierte, bis wir im oberen Bereich der Villa angekommen waren. Dort öffnete sie mir mit einem warmen Lächeln die große, dunkle, mit Schnitzereien verzierte Holztür und ließ mich eintreten.
Ich mochte mein Zimmer sofort, lief zu dem hohen, offenen Fenster hinüber, um einen Blick auf den
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