Kurtisanen leben gefaehrlich
hatten ihr all die Kniffe, die ich ihr verraten hatte, keinen Erfolg bei Verducci beschert. Er sah weiterhin durch sie hindurch, solange er keine Anweisungen für sie hatte, die dringend ihrer Erledigung bedurften.
Gab es irgendwo auf dieser Welt einen Menschen, den er ernst nahm und den er als seinesgleichen behandelte? Ich hatte den Glauben daran verloren. Man merkte Verducci an, dass er sich auf den Wellen zuhause fühlte und er war besser gelaunt, wenn er den Boden eines Schiffes unter den Füßen spürte, trotzdem änderte sich wenig an seinem grundlegenden Verhalten.
Sadiras Traurigkeit schmerzte mich. Sie hatte ihr Herz an einen Mann verloren, der ihre Liebe womöglich niemals erwidern würde und dies war für die zarte Frau eine Quelle des ständigen Leidens. Auch diesmal stand der Schmerz in ihre Augen geschrieben, als sie mich ansah, und es fiel mir nicht schwer, zu erraten, woher sie gekommen war. Ich wartete ab, bis sie von selbst das Wort an mich richtete.
»Wir werden in den Morgenstunden in Marabesh anlegen. Der Kapitän plant, dich dann zu einem Versteck zu bringen. Dort wirst du sicher sein.«
Also war das Warten endlich vorüber? Ich seufzte erleichtert auf, spürte im gleichen Moment jedoch, wie sich mein Magen schon wieder verkrampfte. Marabesh war ein fremdes Land, dessen Menschen ich nicht verstehen konnte, da ich ihre Sprache niemals gelernt hatte und in dem ich außer einem mysteriösen Piratenkapitän und dessen Schiffsbesatzung niemanden kannte. Ganz zu schweigen davon, dass ich niemandem vertrauen konnte. Meine Lage würde sich also nur geringfügig verbessern, wenn man von dem festen Boden und einer vermeintlich größeren Freiheit absah.
»Und was für ein Versteck wird das sein, Sadira? Du verstehst sicher, dass ich gerne wüsste, was mich erwartet.«
Sadira zögerte merklich. Sie schien mehr zu wissen, war aber offenbar nicht sicher, was sie mir davon verraten durfte. Ich blickte sie forschend an, während sie meinen Augen auswich und auf den Ozean hinausblickte. Die Antwort kam schließlich stockend und unsicher über ihre Lippen, was gewiss nicht allein an der für sie fremden Sprache lag.
»Es ist ein altes Haus ... Verducci hat es nach seiner ersten Rückkehr nach Marabesh erworben und lässt dort eine ...«
Sie suchte nach den richtigen Worten und kämpfte für einige Augenblicke mit den ihr weniger geläufigen Ausdrücken, bevor es ihr gelang, diese Hürde zu meistern.
»... Haushälterin … ist das richtig? Er lässt diese Frau dort leben, damit sie sich um das Haus kümmert, wenn er auf See ist.«
Verducci besaß eine Unterkunft in Marabesh? Sadiras Worte ließen mich aufhorchen, brachten sie doch neue Erkenntnisse über den Narbenmann und sein Leben. Doch darüber hinaus gab es gewohnt wenig über seine Pläne zu erfahren.
Ich nickte knapp. Ich würde also abwarten müssen, was sich für mich ergab. Mehr konnte ich mir nicht erhoffen.
Während Sadira sprach, streifte Enrico an uns vorbei, jedoch nicht, ohne mir einen unheilsschwangeren Blick aus seinen schwarzen Augen zu gewähren. Sadira bemerkte, wie ich ihn meinerseits mit den Augen verfolgte und kalt zurückstarrte. Als er verschwunden war, sah sie mich fragend an. Ihrem scharfen Blick konnte schlecht entgangen sein, wie er mir begegnete.
»Ist etwas vorgefallen? Ich beobachte euch schon seit einigen Tagen.«
Ich wandte mich zum Meer um, unschlüssig, was ich ihr über den Tag auf der Insel erzählen sollte. Sadira stellte sich an meine Seite und sah ebenfalls über die Wellen hinaus, wartete darauf, dass ich ihr das Geschehen offenbarte. Warum sollte ich es vor ihr verheimlichen? Sie würde es nicht weitergeben und falls doch, dann wäre es Verducci entweder gleichgültig oder er würde dafür sorgen, dass Enrico keine Frau mehr gegen ihren Willen anfasste, was durchaus wünschenswert war.
So erzählte ich Sadira also, was sich auf der Insel zugetragen hatte. Sie hörte mir aufmerksam zu und ich konnte sehen, wie sich ihr Gesicht bei jedem Wort mehr verdüsterte. Nachdem ich meinen Bericht beendet hatte, war Sadira sehr still geworden und sah nachdenklich in die Richtung, in die der Bootsmann verschwunden war, ohne noch ein weiteres Wort darüber zu verlieren oder mir Fragen zu stellen. Auch ich ließ es dabei bewenden und führte das Thema nicht mehr fort.
Wir redeten noch für eine Weile über Belanglosigkeiten, bevor sie sich von mir verabschiedete und unter Deck verschwand. Ich machte mich ebenfalls
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