Kurtisanen leben gefaehrlich
schwerer. Ihre Schwere glich dem Gefühl in meinen Beinen, die mich nicht mehr vorantragen wollten.
Ich hatte dort, im Dunkel unter der Erde, jedes Zeitgefühl verloren, als Elizabeth mich endlich nach oben brachte und mich in das Zimmer entließ, in dem ich von nun an meine Nächte verbringen sollte.
Die Haushälterin war im unteren Bereich des Hauses verschwunden, um sich um ihre Arbeit zu kümmern und es war mittlerweile spät am Nachmittag, wenn ich die Farbe der Sonne richtig beurteilte, die den Raum mit einem warmen, rötlichen Leuchten erfüllte.
Mein Zimmer war klein, aber recht gemütlich. Mir stand ein Bett aus dunklem Holz zur Verfügung, das an den Seiten von durchscheinenden Vorhängen gerahmt wurde, ebenso wie eine passende Truhe und ein kleines Tischchen, über dem ein Spiegel angebracht worden war.
Erschöpft sah ich darin mein Spiegelbild an. Meine sonst schimmernden Locken waren stumpf und im Nacken zusammengebunden. Gelöste Strähnen fielen in ein Gesicht, das von Müdigkeit gezeichnet war, die tiefe Ringe unter meinen Augen hinterlassen hatte. Ich hatte schon bessere Tage gesehen, daran bestand kein Zweifel.
Irgendjemand hatte, während ich mit Elizabeth in der Dunkelheit verschwunden gewesen war, meine Habseligkeiten in das Zimmer gebracht. Ich wollte mich gerade meiner schmutzigen Bluse entledigen, als mein Blick etwas kleines Goldenes streifte, das jemand auf dem Tisch vergessen hatte.
Interessiert streckte ich meine Hand danach aus und hielt ein feines Medaillon in den Fingern, das mit verschlungenen Verzierungen versehen worden war. Es sah nicht mehr neu aus und wies einige Kratzer auf, die auf eine lange Zeit des Tragens hindeuteten, es in meinen Augen jedoch nur noch schöner machten.
Wem mochte es gehören? Elizabeth oder Domenico womöglich? Ich konnte mir kaum vorstellen, dass jemand anderes hier ein- und ausging. Ich würde es wohl nur erfahren, wenn ich nachsah, also öffnete ich das Schmuckstück und klappte seine Seiten auseinander. Meine Augen weiteten sich in stummem Schrecken, als ich das kleine Bildnis darin erblickte.
Es zeigte Prinzessin Delilah. Ihr rotes Haar und die bronzene Haut waren unverkennbar und ihre dunklen Augen starrten mich unverwandt an. Aber es war etwas anderes in ihrem Gesicht, es war viel weicher und die Augen blickten freundlicher, als ich es bei der Prinzessin in Erinnerung hatte. War dies wirklich die Delilah, die ich auf dem Ball des Fürsten angetroffen hatte, oder war es eine Frau, die ihr sehr ähnelte? Eine Schwester vielleicht? Und warum befand sich ein Bild von ihr im Haus des Narbenmannes?
Ich schüttelte benommen den Kopf, als das Bildnis vor mir verschwand, sich in einem Farbenwirbel auflöste, der bald mein ganzes Blickfeld ausfüllte. Ich sah einmal mehr die Bilder, die Alesia mir gesandt hatte und die ich nicht hatte verstehen können.
Die Prinzessin tanzte durch meine Vision, wirbelte, von ihren Schleiern umweht durch einen fremdartigen Raum voller weiter Torbögen, die ins Nichts führten. Doch dieses Mal war dort noch mehr. Ich sah Andrea Luca, der ihr mit leerem Blick nachstarrte, jede ihrer Bewegungen verfolgte und dabei so leblos wirkte, als habe die Seele seinen Körper verlassen.
Sein Feuer und seine Kraft schienen erloschen, sein Geist nicht mehr in seinem Körper und seine Gedanken nicht mehr die seinen. Seine Gestalt war unversehrt, doch was war mit ihm geschehen? Der Schmerz in meinem Herzen trieb mir die Tränen in die Augen, als sich Delilahs verführerischer Körper vor Andrea Luca wand und drehte, sie die Schleier lasziv über ihre Haut gleiten ließ, dann über ihn hinweg. Ihre Haare umfingen ihn wie Arme, die mit roten, feurigen Fingern nach ihm griffen, während die Schleier, in die sie gekleidet war, über seine Haut glitten und ihn streichelten, als besäßen sie ein Eigenleben.
Ich schrie auf, wollte nicht mehr sehen, was die Prinzessin mit Andrea Luca tat, wollte Andrea Lucas leere Augen nicht mehr sehen müssen. Der Strudel, der mich in die Vision geführt hatte, gab mich endlich frei. Laut schluchzend stürzte ich zu Boden, hinein in die ruhige, dunkle Stille der Ohnmacht, die mich tröstend empfing und mich vergessen ließ.
Kapitel 15
I
ch erwachte in meinem Bett, als ich leise Schritte in der Dunkelheit vernahm, die durch das Haus schlichen. Benommen schüttelte ich die letzten Reste des Traumes ab, der mich nach meiner Vision gefangen genommen hatte und in dem ich wieder und wieder mein Gespräch mit
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