Kurtisanen leben gefaehrlich
Signorina Lukrezia. Ich bin allein um Eure Gesundheit besorgt.«
Das Lächeln tanzte noch für einen Augenblick auf seinen Lippen, erlosch jedoch viel zu schnell und wandelte sich in Besorgnis. Die Anspannung, die ihn bei seinen Worten kurzzeitig verlassen hatte, kehrte in seinen Körper zurück. Er nahm meine Hand und führte mich zu dem Brunnen.
»Verducci hätte dich nicht herbringen dürfen, Lukrezia. Seine Nachricht hat mich erreicht, kurz bevor ich selbst das Land verlassen habe und ich konnte nichts mehr dagegen unternehmen. Ich weiß nicht, was ich mit dir tun soll, denn hier ist es zu gefährlich für dich, das hast du am eigenen Leib erfahren. Ich kenne keinen Ort, an dem du sicher bist.«
Ich ließ meine Hand in das kalte Wasser gleiten und spritzte ein wenig in mein Gesicht, um den gröbsten Schmutz zu entfernen. Maria und Giuseppe kamen mir in den Sinn und mein Herz verkrampfte sich vor Sorge. Trotzdem zog ich bei Andrea Lucas Worten spöttisch eine Augenbraue in die Höhe und sandte ihm einen schiefen Blick.
»Ach wirklich? Es ist also gefährlich hier? Nein, das hätte ich niemals gedacht. Ich empfinde es als vollkommen gewöhnlich, von Piraten in ein fremdes Land entführt und dann als Sklavin verkauft zu werden. Mein Leben ist alles andere als einfach, seitdem du ein Teil davon bist.«
Ich konnte ein resigniertes Seufzen nicht unterdrücken und es gelang mir nicht gänzlich, die Angst aus meiner Stimme zu verdrängen.
»Aber daran ist nun nichts mehr zu ändern. Sind Maria und Giuseppe wohlauf? Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihnen durch meine Schuld etwas geschehen ist.«
Andrea Luca lächelte mich beruhigend an und strich mir eine widerspenstige Locke aus dem noch feuchten Gesicht.
»Sei unbesorgt. Beide sind bei bester Gesundheit und werden sich eines langen Lebens erfreuen. Was ist aus Verducci geworden? Er hat dich nicht freiwillig in die Sklaverei verkauft, nehme ich an?«
Ich schüttelte den Kopf und berichtete Andrea Luca dann alles, was sich seit der Zeit unserer Trennung zugetragen hatte. Er hörte mir nachdenklich zu, während sein Gesicht bei jedem meiner Worte düsterer wurde.
Als ich von Enrico sprach, leuchteten seine Augen in einem gefährlichen, tödlichen Licht, das mir trotz der heißen Sonne des Nachmittags eisige Schauer über den Körper sandte. Die Wut in seinen Augen war noch lange nicht verschwunden, als ich meinen Bericht beendete und er mich in seine Arme zog.
Seine Stimme war zu einem kaum hörbaren Flüstern gesenkt und obgleich seine Lippen beinahe mein Ohr berührten, musste ich genau hinhören, um seine Worte verstehen zu können.
»Er wird keine Ruhe mehr finden, bis er mir gegenübersteht und meine Rache gespürt hat, das schwöre ich. Kein Mann wird dich jemals ungestraft berühren und dich verletzen, solange ich lebe.«
Die Eindringlichkeit, mit der er dies sagte, ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. Enrico würde seine Strafe bekommen und diesmal würde es noch weitaus schlimmer werden als das, was der Narbenmann mit ihm getan hatte.
Vorsichtig berührte Andrea Luca meine Wange, die nach Enricos Angriff von einer bläulichen Farbe überzogen war, und sah mir tief in die Augen, bevor er mich sanft und vorsichtig küsste, um mir nicht wehzutun.
Schritte näherten sich uns ohne Vorwarnung, rissen uns aus unserer Versunkenheit und ließen Andrea Luca aufspringen. Seine Hand fuhr zu seinem Rapier und er stellte sich vor mich, bevor er nach der Quelle des Geräusches suchte.
Es war die Sänfte der Prinzessin.
Delilah hatte ihre Spione sicherlich überall und es hätte mir bewusst sein müssen, dass Andrea Luca nicht ohne Beobachtung den Palast verlassen konnte. Falls ich damit nicht recht hatte, musste Delilah mit weitaus stärkeren Mächten im Bunde sein, als mit einfachen Menschen. Die seidenen Vorhänge wurden von einer grazilen Hand beiseite gezogen und die Prinzessin glitt geschmeidig daraus hervor. Sie war so schön wie ich sie in Erinnerung hatte, wirkte in diesem Licht und in ihrer Heimat vielleicht noch schöner, als im Palazzo Santorini.
Die Erinnerung an die Vision und an Alesias Gesicht kam mit betäubender Wucht zurück und traf mich so hart, dass ich erschrocken aufkeuchte. Ich hatte ihm nichts davon erzählt und nun war es zu spät. Was sollte ich nur tun?
Meine Gedanken rasten, während ein freundliches Lächeln den Weg auf Delilahs Gesicht fand.
Das Lächeln einer Schlange vor dem tödlichen Biss.
Delilahs Stimme
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