Kurtisanen leben gefaehrlich
dienen und das von seiner Familie hierher geschickt worden ist. Ich frage mich, was Euch zu uns verschlagen hat.«
Sie sah mich prüfend an, bevor sie sich, ohne meine Antwort abzuwarten, vor eine Truhe kniete und darin nach etwas suchte, das meiner Sicht durch den hohen Deckel entzogen war. Ich beobachtete sie misstrauisch und überlegte noch, was ich ihr antworten sollte, als sie mit einer triumphierenden Geste ein Gewand ans Tageslicht beförderte und es eingehend musterte.
»Das hier müsste Euch passen. Hier! Probiert es an. Eure Kleidung scheint mir viel erlebt zu haben.«
Ich nickte und nahm das Gewand entgegen, nicht wirklich davon begeistert, mich wie eine Haremsdame zu bekleiden, damit jeder freie Sicht auf meinen Körper erhielt, den es danach gelüstete. Ich war für eine subtilere Art der Verführung, sah aber ein, dass mein weißes Nachthemd alles andere als sauber und kleidsam war und dringend einer Wäsche bedurfte.
»Ihr habt Recht, Signorina. Ich bin gegen meinen Willen hierher gebracht worden und möchte nicht hier verweilen. Dennoch sieht es so aus, als sei ich für den Moment gezwungen, hierzubleiben. Ich danke Euch für Eure Freundlichkeit ...«
Ich geriet ins Stocken, wusste nicht recht, was ich noch sagen sollte. Es war kaum die rechte Zeit, meine Geschichte zu erzählen, vor allem, da ich diese Frau nicht kannte und ihre Freundlichkeit kein Zeichen ihrer Vertrauenswürdigkeit war. Schließlich gehörte sie ganz offensichtlich dem Harem des Sultans an, obgleich ich mich ein wenig darüber wunderte, wie sie in das Bild dieser halb nackten, hübschen Mädchen passen sollte.
Die Frau sah mich verständnisvoll an und führte mich dann zu dem Becken hinüber, damit ich den Schmutz abwaschen konnte. Während sie mir dabei zusah, wie ich das Nachthemd abstreifte und in das Wasser stieg, redete sie neugierig weiter auf mich ein, um mehr über mich und die Umstände zu erfahren, die mich hierher geführt hatten.
Ich schilderte ihr den groben Verlauf meiner Erlebnisse in Marabesh, seitdem ich an die Sklavenhändler verkauft worden war, verzichtete aber darauf, ihr Einzelheiten zu offenbaren oder gar die daran beteiligten Personen zu benennen. Es reichte, wenn sie mich für eine Fremde hielt, die aus der Sklaverei freigekauft worden war, um schließlich hier zu stranden. Diese Geschichte erschien mir einigermaßen glaubwürdig.
Cordelia wirkte gedankenverloren, nachdem ich meine Erzählung beendet hatte.
»Ich würde Euch gerne helfen, mein Kind, aber ich bin nur eine einfache Dienerin des Sultans. Es verwundert mich jedoch, dass Ihr gegen Euren Willen hierher gebracht worden seid. Sultan Alim ist ein guter Mann. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er solcherlei veranlassen würde ...«
Nun war es an ihr, ihren Redefluss zu unterbrechen und sie schlug ihre Hand erschrocken vor den Mund. Ich blickte sie erstaunt an und versuchte zu erraten, was sie wohl bewegen mochte.
»Aber ich bin schrecklich unhöflich, verzeiht mir! Mein Name ist Cordelia Bennet und ich sorge für die Erziehung der Ehefrauen des Sultans und ihres Gefolges.«
Sie lächelte gewinnend und nahm eine abwartende Haltung ein, während ich schmutzige Klümpchen aus meinen Locken entfernte, die dringend eines Kammes bedurften. Angewidert betrachtete ich die dunkle Brühe, die dabei aus meinem Haar herausströmte und das Wasser verfärbte.
»Der Sultan hat mich nicht hierher gebracht, Signora Bennet, es war seine Tochter, Prinzessin Delilah. Aber auch ich sollte nicht unhöflich zu Euch sein. Man nennt mich in meiner Heimat Lukrezia.«
Cordelia Bennet zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. Die Art meiner Vorstellung hatte der offenbar in gesellschaftlichen Dingen gut bewanderten Frau sofort gesagt, um was es sich bei meiner Person handelte, nannte ich ihr doch nicht den Namen meiner Familie. Etwas, das zusammen mit meiner Herkunft recht eindeutig für eine Kurtisane sprach. Sie überspielte diese Gefühlsregung allerdings schnell und benahm sich sogleich wieder, als sei niemals etwas geschehen.
»Die Prinzessin hat Euch in diese Lage gebracht? Das wird ihrem Vater nicht gefallen … andererseits kann er seiner Tochter keinen Wunsch abschlagen ...«
Sie brach ab und blickte für einen Augenblick nachdenklich in die Ferne, was mir Gelegenheit gab, diese neue Information zu verarbeiten.
Also stand der Sultan selbst unter dem Bann seiner Tochter? Das war in der Tat keine gute Nachricht. Delilah schien sich keine sonderlich
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