Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
fremden geschraubten Worte in die Steine flüstern. Aber Mama war schon durch die Mägen aller möglichen wilden Tiere gewandert, und Ojunas Familie betraf es nicht. Ich erzählte es Nara. Sie lachte, dass den Fischnajmaatschin betreffend wohl nie eine derartige Mitteilung kommen würde.
Nara sagte, sie würde vor Schande im Boden versinken, wenn sie zurückkehren müsste.
Sie glaubte, ich dächte nicht ernsthaft daran, nach diesen zig Jahren zurückzukehren. Ohne Mann und ohne schlagenden Grund ein Bett in Ojunas Ger zu belegen. Unbeschwert mit einer einzigen Tasche zu kommen wie ein junges Mädchen, während die grauen Haare von einer Frau sprachen, für die es nichts gab, wohin sie hätte gehen können. Das würde mich töten, sagte sie.
Hätte ich noch eine Wohnung gehabt in der Stadt, hätte ich sie trotzdem nicht bezogen. Der Radau und die schnellen Autos begannen mich zu stören. Eigentlich hatte ich mir das schon gesagt, bevor Dolgorma zurückkam. Sobald mehrere große Autos hintereinander fuhren, klirrten in der Küche die Gläser. Bevor Dolgorma wegging, hatten wir ständig geplaudert. Von früh bis spät. In einem fort, und daher hatte ich das nicht wahrgenommen. Wenn die Wohnung still ist, hört man plötzlich eine Menge Lärm. Jede Sekunde tickte die Küchenuhr, in den Gläsern mit den Haferflocken raschelten Mehlmotten, und im Badezimmer tropfte unablässig der Wasserhahn. Die Stille mit Dolgorma war schrecklich laut, und ich hatte alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich denke auch nicht nur an mich.
Nara hatte im Diwaadschin nur eine kleine Kammer. Ich besaß eine Wohnung, die mir zuwider war. Ich werde mich schließlich nicht in einem viel zu großen Wohnzimmer breitmachen, wenn ins Zimmer meiner Schwester nichts als ein durchschwitzter Hurendiwan passt. Das war das Ausschlaggebende. Und daher fuhr ich nicht mit wehem Herzen ab. Was bin ich schon.
Meine Schwester hat sich das verdient, nach all den Jahren
ein eigenes Wohnzimmer. Das sagte ich ihr. Auch dass Dolgorma, wenn ich eine Zeitlang wegbliebe, unterdessen der dumme Groll vergehen und alles wie früher sein würde.
Einmal hatte sich Dolgorma eine Gelbsucht zugezogen. Ich hatte ihr immer eingeschärft, sie solle sich in den kleinen Guanz der Plattenbaupassagen den Appetit auf Chuuschuur verkneifen. Sie sagte, Inche habe sie dazu genötigt. Dass sie, sollte Dolgorma nicht essen, mit so einer eingebildeten Kuh nicht befreundet sein wolle. Sie waren noch klein gewesen.
Dolgorma lag danach ein paar Wochen im Spital und dann noch zu Hause. Ich erfüllte ihr jeden Wunsch. Ich kaufte illustrierte russische Kinderzeitschriften, jede Menge Gefrorenes und Plüschspielzeug. Sie hatte mindestens fünf zottelige Hunde und einen Haufen teurer Puppen unter dem Kissen. Eine konnte sogar gehen und sprechen. Wenn Dolgorma sich an sie erinnert, werden wir uns sicher wieder gut verstehen. Oder der Fernseher. Einen so großen und noch dazu aus Japan hatte niemand aus ihrer Klasse. Sie hatte mich dazu überredet, als wir im Kaufhaus Gamaschen besorgten.
Oder Neujahr. Ich feierte mit Dolgorma jedes Mal das mongolische und das russische. Damit es mehr Spaß und gutes Essen gäbe. Ich kann an den Fingern abzählen, wie viele Leute in der Stadt das tun. Wie viele Leute in der Stadt ihrem Kind so viel Freude bescheren. Als ich noch halbwegs gut aussah, und es ist das Werk dieses verwöhnten Mädchens, dass diese Zeiten längst vorbei sind, ging ich abends manchmal nicht ins Diwaadschin. Einfach so. Es kam nicht oft vor, Schartsetseg drückte dann ein Auge zu, aber immerhin. Welche Frau macht das ihrem Kind zuliebe? Die Kinder, die auf der Straße herumlaufen, könnten ein Lied davon singen.
Der Vater mit einem Riemen oder ewig mit anderen Typen
über den Billardtisch gebeugt und die Mutter weg oder besoffen. Dass diese Kinder ausreißen, ist klar. Das würde ich verstehen.
Vielleicht hat Mutter doch Recht gehabt, wenn sie stets sagte, ich würde das Mädchen zu wenig zur Arbeit anhalten. Für Dolgorma gab es nie ein Muss. Die gekochten Lämmer hüpften ihr direkt in den Magen.
Im Somonzentrum war ich zufällig Najma begegnet. Ojuna hatte ihn irgendwelche Nähsachen einkaufen geschickt, und so nahm er mich mit. Der Jeep war verraucht und voll herumfliegendem Staub. Ich malte mit dem Finger ein Ger auf die staubige Scheibe. Er zog nur die Brauen hoch. Es war dumm von mir. Die Fahrt zog sich, wir schwiegen.
Ich erinnerte mich, wie ich das erste Mal in einem Auto
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