Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
Vom Netzwerk:
Eigenschaften kann man Gelber Blume entschieden nicht absprechen. Sie war ziemlich tüchtig für eine Frau, und dank ihrer Härte lief das ganze Bordell wie ein Uhrwerk. Auch die Wohnung hätte sie Dzaja nicht überlassen müssen.
    Zwar hatte Mergen dieses Quartier meiner Schwester zugesagt, aber welche Frau hätte einem Kerl gehorcht, der jahrelang keinen Tugrik heimbrachte.
    Wenn eins der Mädchen im Diwaadschin Ärger hatte, bemühte sie sich, ihr zu helfen. Und sie konnte auch ihre Zunge im Zaum halten. Das wussten die Mädchen. Als Liuli ein Kind erwartete, vertraute sie es ihr an. Ich erfuhr davon erst, als Liuli nach ein paar Tagen ohne das Kind von ihrer Großtante zurückkam und sie damit bei einer Flasche herausrückte. Hätte sie es statt Schartsetseg einer von uns gesagt, hätten binnen ein paar Stunden alle mit dem Finger auf Liuli gezeigt. So hatte sie Ruhe und dazu Schartsetsegs tröstliche Worte.
    Ganz zuerst fing ich in Erkas Guanz zu arbeiten an. Schartsetseg kannte sie, und Dzaja hatte in der Küche unserer Familie einen guten Namen gemacht. Schartsetseg war mit jedem bekannt. Sie hatte überall in der Stadt ihre Krallen drin. Ich glaube nicht an Zufälle.
    Gelbe Blume sagte, ich müsste unseren Somondialekt loswerden, und schob mich in die wohlgenährten Arme der fettigen Erka. Als sie nach ein paar Wochen wieder auftauchte, bat ich sie auf Knien, sie möge mich von hier wegnehmen. Egal wohin. Ich wollte mir nicht die Seele ausschwitzen über den Töpfen. Ich sprach ohnehin keinen richtigen Dialekt.
Meine Sprache war und ist rein. Schon wieder einer von Schartsetsegs unlauteren Tricks.
    Wenn sie gewollt hatte, dass ich vor ihr auf die Knie fiel, dann war ihr das gelungen. Ich wollte weg aus dem Guanz wie noch von nirgends. Im Diwaadschin hatte eine Frau wenigstens Geld.
    Ein unwirsches Weib zeigte mir, wie man die Tische abwischte und nasse Scherben so wegfegte, dass es niemand bemerkte. Nach drei Wochen konnte ich Getränke servieren, und nach zwei weiteren Monaten hatte ich schon oben meine Kammer. Ich weiß eigentlich nicht, ob Schartsetseg das beabsichtigt hatte. Als sie sah, dass mir die Männer Geld in den Ausschnitt steckten, fragte sie mich, ob ich nicht auch ein eigenes Zimmer wie die anderen haben wolle.
    Die Roten Berge schlug ich mir bald aus dem Kopf. Diese Art Arbeit prägt sich ins Gesicht ein. Ich merkte es, Tag für Tag. Ich sagte mir, ich würde weggehen. Jedes Mal zu Neujahr versprach ich es mir aus voller Überzeugung. So macht man das. So lügen sich unfähige Frauen in die Tasche.
    Schließlich hielt mich dort niemand zurück. Aber ich hatte Geld, wie es ein ganzes Leben lang nicht durch die Hände meiner Freundinnen aus dem Zentrum ging. Ich vernarrte mich in kurze Spitzenröcke, deutsche Konserven mit zarten Würstchen und durch Küsse nicht abzukriegende koreanische Lippenstifte. Ich besaß eine ganze Schachtel davon. Ich liebte den Zaster. Sonst liebte ich nur noch eine einzige Sache. Die ganzen Jahre, und es waren mehr als zweimal soviel wie ich Finger an beiden Händen habe, stand, gelb leuchtend wie das Signallicht von Ulan Bators Fernsehturm, das Gesicht meines Liebsten vor mir. Mein Lieblingstraum handelte davon, dass Dschargal kam.

    Als Anra vor ein paar Jahren verbreitete, sie würde ein Baby haben, glaubte ihr niemand. Dzaja erzählte mir davon. Uuregma Ulantsetseg lud alle Bekannten und Verwandten zu ihnen ins Haus ein, zum Buuzessen. Ojuna war dort, und Anra stolzierte tatsächlich mit ihrem Bauch herum. Jetzt müsste dieses Kind mindestens schon fünf Jahre alt sein.
    Es geschehen Dinge, die kann sich keiner vorstellen, und ich bin geduldig.
    In dem Punkt Hut ab vor Chiroko. Als man sie ihrer Mutter beraubte, die zu Verwandten geschickt wurde, Großmutter Mira kam dadurch um ihr Erstgeborenes, hätte auch niemand gedacht, dass Chiroko unsere Großmutter ausfindig machen würde. Hunderte Kilometer Sanddünen und ebenes Grasland ohne einen einzigen Pfad trennten Chiroko von Mira. Und dennoch fanden sie sich. Chiroko tauchte nach wochenlangem Marsch vor einem fremden Ger auf und sagte, da hast du mich. Laut Chiroko braucht ein Mädchen, um seine auf der entgegengesetzten Seite der Mongolei um ihre Töpfe herumrennende Mutter zu finden, weder ein Zauberfernrohr noch ein fliegendes Pferd. Chiroko hatte in ihrem Ger stets einen Haufen verschiedener Werkzeuge zum Wahrsagen und auch Zaubermittel. Zu sperrigen Bündeln gebundene Tierknochen, bunt gefärbte Zähne,

Weitere Kostenlose Bücher