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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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beschäftigte Dzaja, dass sie keine Wohngelegenheit hatte. Dass sie ihr Kind nicht im Bordell großziehen wollte und wie sie in den kurzen Pausen zwischen den Männern
Zeit haben würde. Auch dass sie sich, sollte es ein Mädchen werden, fragwürdige Manieren aneignen könnte, und es im Diwaadschin kein einziges Bett ohne Flöhe gäbe und das Kind ein zerbissenes Gesicht haben würde. Damit quälte sich meine Schwester. Das entschied darüber, ob sie einem neuen Leben auf die Welt verhelfen oder dieses kleine Bündel aus sich verstoßen würde. Dabei hatte sie die Hauptsache vergessen. Wer sie selbst war.
    Als hätte sie nicht gewusst, aus welchen Verhältnissen wir beide stammten, als hätte sie das Wort Erliiz in den Roten Bergen zurückgelassen. Das jedoch würde uns immer begleiten, das väterliche Blut würde nie aus uns abfließen, ebenso wie sich von meinen Händen niemals das Blut meines getöteten Kindes wegwaschen ließe.
    Das Blut eines Bastards. Wie Zitronensaft würde ich es mir am liebsten aus meinen Adern pressen. Es hat auch den gleichen Geschmack.
    Für alle Zeiten wird in meinem Körper das Blut eines Iwan, eines russischen Fischnajmaatschin, fließen, ich könnte mir ein Loch ins Hirn bohren, es würde mir doch immer bewusst sein. So wie sie es einfach vergessen konnte. Wie sie in diesem Karussell weitermachen konnte. Und mit derartigem Leichtsinn. Mit keiner Silbe erwähnte sie es. Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
    Vor Jahren vertraute mir Dzaja an, man könne Dolgorma in den Roten Bergen nicht leiden.
    Worüber wundert sie sich?
    Ich werde es meiner Schwester aber nicht sagen.
    Ich werde Dzaja nicht sagen, dass Dolgorma keinen Vater hat, nie einen haben wird und das ganze Leben die Last schleppen wird, ein Erliiz zu sein. Ich als die Jüngere werde
sie nicht belehren. Dieses Bündel hätte in der Erde enden sollen. Aber nicht Dzajas wegen, sondern derentwegen, die sie wie ein Stück mageres Fleisch hierherwarf. Und schwimm, Kleine.
    Ich machte in dem Punkt kurzen Prozess. Auf dass Ulan Bator ein weiteres Freudenhauskind hätte, nein, das hatte ich schon vor Jahren verstanden. Als mein Schoß noch blutete und jeder Samen in ihm keimen wollte.
    Es traf fast jede von uns. Ich ging zu Chiroko, Liuli zu ihrer Großtante, Inche behielt es und ging weg, Tula auch. Ich werde nie vergessen, wie Dzaja fortging. Ich hatte soeben einen Mann in meiner Kammer und beugte mich daher nur aus dem Fenster. Sie stand vor dem Diwaadschin, die offenen Haare flatterten im Wind und ihr Gesicht verriet die feste Entschlossenheit einer Frau, die Leben in sich spürt und es mit allen Kräften verteidigen und schützen wird. Vielleicht sagte sie sich: Meine Schwester, die Unglückliche, bei lebendigem Leib eingemauert in diesem schweißgetränkten Häuschen. Sie winkte mir und ich ihr auch.
    Wir lachten beide und bedauerten einander beide. So empfand ich es damals.
    Nachdem Mergen abgezogen war und Dolgorma geboren wurde, und wenn bei Dzaja nicht gerade Najramdal herumgeisterte, verbrachte ich den Großteil meiner Freizeit mit meiner Schwester. Wir hechelten alles durch. Nahmen uns den gesamten Klatsch aus dem Diwaadschin vor. Spotteten über die Frauen, die neu waren und denen Schartsetseg wegen jeder Kleinigkeit einen Rüffel gab, und schwiegen von jenen, die ihre Koffer gepackt hatten und verschwunden waren. Solche, die freiwillig gingen, waren die Minderheit, meist hatten sie das Missfallen von Gelber Blume erregt. Aber ein paar fanden
sich doch. Niemand sprach von ihnen, aber sie genossen die Bewunderung von uns allen.
    Als wir wieder einmal in Dzajas Wohnzimmer saßen, Kaffee tranken und Salzgebäck knabberten, erklärte ich, meiner Ansicht nach hätte sie mit Dolgorma einen gewaltigen Fehler gemacht. Dzaja schätzte es, dass ich von Anfang an alles ihr überlassen, mich in nichts eingemischt hatte und erst jetzt damit herausrückte. Ich versprach, das Mädchen, falls Dzaja etwas zustieße, zu mir zu nehmen. Und darauf stießen wir an.
    Frauen, die das Diwaadschin verlassen hatten, kamen oft zurück. Sobald ihr Kind etwas größer geworden war oder ihr Kerl sie hinausgeworfen hatte und sie entdeckten, dass es eine besser bezahlte Arbeit für eine Frau einfach nicht gibt, waren sie wieder da. Wir hatten all unsere Hoffnungen in sie gelegt, und sie verrieten uns so. Frauen, die wiederkamen, wollte niemand in die Augen sehen. Sie waren scheu wie Hirschkühe. Gleichzeitig freuten wir uns aber sehr über so eine

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