Kuss der Sünde (German Edition)
abmilderte.
„Adrienne …“, hob er an.
Seine Worte flossen ungehört an Viviane vorüber. Das also war die berüh m te La Bouche. Eine Frau, die so strahlend und hell anmutete wie eine bre n nende Kerze. Der Blick aus s chräge n Augen von tiefem Grün blieb an Viv i ane hä n gen und sie weiteten sich leicht. Ihre schmale, weiße Hand glitt zu ihrem Hals.
„Herrin …?“, hauchte sie und blinzelte irritiert. „Wer sind Sie?“
„Ich bin Viviane Pompinelle und wünsche eine Unterredung mit Ihnen.“
Auf Inkognito legte sie keinen Wert. Der Name Pompinelle war ein Begriff in Paris und sie warf ihn in die Waagschale. Die vollen Lippen hoben sich zu einem Lächeln.
„Natürlich. Verzeihen Sie meinen Irrtum. Im ersten Moment hielt ich sie für eine … Dame, die mir lieb und teuer ist. Sie sind ihr sehr ähnlich. Bitte folgen Sie mir.“ In einer anmutigen Geste wies Adrienne nach oben und ging ihnen voran. Über die Schulter sah sie zu Viviane zurück. „Ich glaube, wir haben dieselben Wurzeln, Mademoiselle. Die Bretagne. Ich kenne sogar Claude de Kerouac.“
„Sie kennen meine Großmutter?“
Am Ende der Treppe hakte sich Adrienne vertraulich bei ihr unter. „Aber ja, nahezu jeder in den Wäldern kennt die Grande Dame und ihre Liebe zur Natur. Die Großmutter Ihrer Großmutter, Brigitte, war eine Hüterin der Quellen. Aber das liegt lange zurück. Viel hat sich seitdem geändert. Leider.“
Nun, das war alles sehr sonderbar und vielleicht einzig als Ablenkung g e dacht. Viviane erwiderte erst darauf, als sie in einem kleinen Salon standen und Duprey die Tür hinter ihnen schloss. Kerzen brannten hinter dicken Gl ä sern und verströmten ein weiches Licht. Die Schauspielerin und Kurtisane schien sich darin auflösen zu wollen, so durchscheinend wirkte sie. Viviane lehnte den angebotenen Sitzplatz ab und verschränkte die Arme.
„Ich sehe mich eher als Hüterin meiner Schwester. Ich vermute sie unter I h rem Dach. In Gesellschaft von Olivier Favre.“
Ohne erkennbare Regung nahm Adrienne es auf und setzte sich in einen geblümten Fauteuil. „Kann sein. In meinem Haus treffen die unterschiedlich s ten Persönlichkeiten aufeinander. Wissentlich und willentlich. Ich garantiere Diskretion. Daher kann ich nicht bestätigen, dass ihre Schwester oder Mo n sieur Favre sich hier aufhalten. Dazu noch gemeinsam.“
„Adrienne, hör auf damit“, mischte sich Duprey ein. „Seit Tagen weicht J u liette mir aus. Ich habe keine Ahnung , weshalb. Wir stritten uns, aber das war nicht das erste Mal. Die beiden können nur hier sein.“
Stirnrunzelnd maß Viviane den Tanzmeister ab. Könnte Pauline r echt h a ben? Hatte er Juliette in ihrem Zimmer aufgesucht? Das war absurd. Ihre Schwester war viel zu sehr von sich eingenommen, um sich auf Duprey einz u lassen. Und wie fügte sich dann Olivier darin ein ? Ohnehin war anderes vo r rangig. Adrienne wiegelte soeben höflich ab.
„Wirklich, ich kann dazu nichts sagen. In den oberen Stockwerken werden Namen und Rang abgelegt. Weder weiß ich, wer sie betritt, noch wer sie ve r lässt, und Sie – Mademoiselle Pompinelle – sind selbst einmal Nutznießerin dieses Prinzips gewesen.“
Viviane marschierte in ihren derben Stiefeln direkt vor die Kurtisane. In die grünen Augen trat ein belustigtes Funkeln, als schien sie auf diese Reaktion gewartet zu haben. „Ich werde Ihnen mein Prinzip erklären, Madame. Wenn Sie mir nicht sagen, ob sich meine Schwester hier aufhält, kehre ich mit der Polizei zurück. Diese wird das Unterste zu o berst kehren. Sagen Sie mir, ist das in Ihrem Sinn oder wäre eine gütliche Einigung nicht besser für Sie und Ihre illustren Gäste ? “
„Die Neigung, Drohungen auszustoßen, haben Sie eindeutig von Ihrer Mu t ter“, bemerkte Adrienne gelassen. „Was die Polizei angeht, stehe ich mit ihr auf sehr gutem Fuß.“
Viviane streckte den Zeigefinger , als würde sie die Schauspielerin aufs Korn nehmen. „Sie unterschätzen die Situation. Meine Schwester wurde entführt, und Sie unterstützen durch Ihr Verschweigen eine Straftat. Die Polizei wird es ähnlich sehen. Überlegen Sie sich gut, ob sie Ihr Haus durchsuchen soll, und stellen Sie sich vor, was erst passiert, wenn sie dabei meine Schwester findet.“
„Ein exzellentes Argument“, meldete sich Duprey anerkennend zu Wort.
Adrienne sah nach unten und hüllte sich in Schweigen.
„Sie wollen es offenbar nicht anders. Monsieur Duprey, holen Sie die Pol i zei. Ich warte hier
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