Kuss der Sünde (German Edition)
bewusst wurde, wie grausam sein Einwurf war.
Sie wirbelte herum und kam auf ihn zu. Zum ersten Mal , seit sie eingetreten war, sah sie ihm direkt in die Augen. Er sah ihre Hand auf sich zufliegen und wehrte sie nicht ab. Hart traf sie auf seine Wange. Er drehte den Kopf zur Seite und biss die Zähne aufeinander.
„Du willst es unbedingt hören “, zischte sie. „Ja, es schmerzt. Ja, ich fühle mich verraten. Ist das genug? Willst du noch mehr hören? Etwas darüber, dass ich an deine Versprechen glaubte, an deinen Heiratsantrag, an deine trüger i schen Zusicherungen. Du hast mich die ganze Zeit über belogen , und unte r dessen eine Affäre mit Juliette gehabt. Du hast es gewusst, Olivier. Von A n fang an hast du es gewusst, und es hat dich nicht abgehalten.“
In ihren Augen schienen blaue Flammen aufzulodern. Er senkte den Kopf. Dicht stand sie vor ihm, von vibrierender Präsenz und einer Seelenpein, dass er es körperlich zu spüren vermeinte. Niemand sagte etwas. Sogar Juliette war verstummt und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust.
„Ich frage mich nur, weshalb das sein musste“, fuhr Viviane leise fort. „Ich weiß nicht, was wir uns zuschulden kommen ließen, was Juliette und ich dir zugefügt haben, das deine abgrundtiefe Grausamkeit rechtfertigt. Was ist es, das du uns vorwirfst?“
Unsicher blickte er auf, in ein Gesicht, das eine blanke, bleiche Maske war, in der das Kinn hart hervortrat und die kleine Nase verkniffen und spitz wir k te. Eine weitere Welle aus Scham, Ärger und Kummer schlug über ihm z u sammen. Er errötete wie ein kleiner Junge unter ihrem klaren, kornblume n blauen Blick.
„Ihr habt beide keine Ahnung“, murmelte er tonlos.
„Du hast r echt , wir sind völlig ahnungslos. Und das macht es unerträglich“, antwortete sie und kehrte ihm den Rücken zu.
„Aber eines sollst du wissen“, presste er hervor. „Ich habe alles, was ich zu dir sagte, ernst gemeint. Es waren keine Lügen.“
„Was hast du schon gesagt, Olivier? Es waren nur Worte, und keines davon von Belang. Von Liebe hast du nie gesprochen“, erwiderte sie , ohne ihn anz u sehen.
Es versetzte ihm einen unerträglichen Schlag, dazu geeignet , sein Herz zu spalten. Er begegnete Alains anklagender Miene, Juliettes hämischen Augen. Eilig umrundete er Viviane, weil er es nicht ertragen konnte, dass sie sich ei n fach von ihm abkehrte. „Es ist nicht mein Kind, das in Juliette heranwächst. Es ist Alains Kind! Ich habe nie mit ihr geschlafen.“
„Na, und wenn es so wäre. Viviane weiß noch nicht alles.“ Juliette drängte sich in den Vordergrund und wandte sich an ihre Schwester. „Er hat mich eines Nachts hierher gebracht und mir die Augen verbunden. Dann haben er und Alain sich abwechselnd über mich hergemacht. So war es, und das ist die volle Wahrheit.“
„Was redest du denn, Juliette?“, stammelte Alain entsetzt. „So war es doch überhaupt nicht.“
Olivier überbrüllte ihn. „Halt endlich dein Schandmaul, Juliette!“
Viviane schloss die Augen. Ihre Züge wurden maskenhaft bis zur Leblosi g keit. Sie wankte und griff sich an die Stirn. „Was soll ich noch glauben?“, stammelte sie schwach.
Alain eilte an ihre Seite, ergriff ihren Ellbogen und stützte sie. „Mademoiselle, bitte, lassen Sie uns gehen“, schlug er vor. „Sie müssen sich das wahrlich nicht anhören. Ich hätte Sie nicht hierher bringen sollen, in diese Schlange n grube. Ich begleite Sie nach Hause.“
„Nie will sie die Wahrheit hören“, sagte Juliette und richtete ihr Kleid so gut es ging.
„Du niederträchtiges Ding“, knurrte Olivier. „Du hast schon genug Schaden angerichtet. Wenn du nicht endlich den Mund hältst, dann …“
„Hört auf. Hört alle auf!“, stieß Viviane gequält aus. „Merkt ihr denn nicht , was hier vor sich geht? Es ist die Tücke unserer Abstammung, so wie Adrie n ne es sagte. Alles richten wir zugrunde. Einfach alles.“
Juliette wich einen Schritt zurück und presste den Handrücken an die Li p pen. Blässe ersetzte ihre Häme. Die Erwähnung ihrer Abstammung schien sie zu erschrecken. Olivier presste die Lippen aufeinander. Mit einem Mal fühlte er sich schäbig und wertlos und ekelte sich vor sich selbst. Sein Wunsch nach Rache hatte einen Menschen getroffen, den er letzten Endes nicht hatte tre f fen wollen. Eine Frau, die er nicht hatte lieben wollen , und der es gelungen war, ihm das Herz zu rauben. Jäh schoss ein Gefühl in ihm auf, das mit einer
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