Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe

Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe

Titel: Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Houck
Vom Netzwerk:
es für dich ein sehr aufregendes Leben ist, wenn du die ganze Zeit in einem Käfig eingesperrt bist. Ich zumindest würde es nicht besonders mögen.«
    Ich schwieg eine Weile und kaute auf der Lippe, während ich die Streifen in seinem Gesicht mit schraffierenden Strichen auftrug. »Magst du Poesie? Ich werde mal meinen Gedichtband mitbringen und dir etwas vorlesen. Ich glaube, ich habe etwas über Katzen, das dir gefallen könnte.«
    Ich blickte von meiner Zeichnung auf und erschrak, als ich bemerkte, dass sich der Tiger bewegt hatte. Er hatte sich aufgesetzt, den Kopf in meine Richtung gesenkt und starrte mich unverwandt an. Allmählich wurde ich doch etwas nervös. Eine Raubkatze, die dich derart eindringlich anstarrt, bedeutet sicher nichts Gutes.
    Genau in diesem Augenblick kam Matts Vater in das Gebäude spaziert. Blitzschnell rollte der Tiger sich auf die Seite, wandte mir jedoch weiterhin das Gesicht zu und beobachtete mich aus seinen tiefblauen Augen.
    »Hi, Kleines, wie geht’s?«
    »Hmm, gut. Fühlt er sich denn nicht einsam so allein? Haben Sie je versucht, nun ja, einen weiblichen Tiger für ihn zu finden?«
    Er lachte. »Nicht für den hier. Er ist ein Einzelgänger. Der andere Zirkus hatte versucht, ihn im Zoo mit einem läufigen Weibchen Junge zeugen zu lassen, aber er wollte nicht. Er hat sich geweigert zu fressen, also haben sie ihn schnell wieder rausgeholt. Anscheinend sagt ihm das Junggesellendasein eher zu.«
    »Oh. Na gut. Ich sollte jetzt zu Matt gehen und ihm mit den Vorbereitungen fürs Abendessen helfen.« Ich klappte mein Tagebuch zu und sammelte meine Sachen zusammen.
    Als ich zurück zum Hauptgebäude schlenderte, kreisten meine Gedanken um den Tiger. Armes Ding. Er ist ganz allein, ohne eine Gefährtin und Tigerjunge. Kein Wild, das er erjagen kann, und noch dazu ist er in Gefangenschaft. Er tat mir leid.
    Nach dem Abendessen half ich Matts Vater wieder beim Ausführen der Hunde und machte mich für die Nacht fertig. Nachdem ich mich etwa zwanzig Minuten unruhig hin und her gewälzt hatte, entschied ich, der Scheune noch einmal einen Besuch abzustatten. Ich schaltete lediglich das Licht in der Nähe des Käfigs an und ging mit meiner Steppdecke zurück zu meinem Heuballen.
    Da ich in einer rührseligen Stimmung war, hatte ich meine Taschenbuchausgabe von Romeo und Julia mitgebracht.
    »Hallo, Ren. Soll ich dir ein bisschen vorlesen? In Romeo und Julia kommen zwar keine Tiger vor, aber Romeo klettert auf einen Balkon, also musst du dir nur vorstellen, du würdest auf einen Baum klettern, okay? Moment mal. Lass mich für die richtige Atmosphäre sorgen.«
    Es war Vollmond. Ich knipste die Lampe aus, denn das Mondlicht, das durch die beiden hohen Fenster hereinfiel, spendete genug Licht.
    Der Schwanz des Tigers klopfte gegen den Holzboden des Wagens. Ich drehte mich auf die Seite, machte mir eine Art Kissen aus dem Heu und begann laut vorzulesen. Ich konnte lediglich das Profil des Tigers ausmachen und sah, wie seine Augen im Zwielicht leuchteten. Allmählich wurde ich müde und seufzte. »Ach. Männer wie Romeo gibt es nicht mehr. Vielleicht hat es sie auch nie gegeben. Anwesende natürlich ausgenommen. Ich bin sicher, du bist ein sehr romantischer Tiger. Bei Shakespeare gab es schon viele Traummänner, nicht wahr?«
    Ich schloss die Augen, um ihnen eine kurze Pause zu gönnen, und erwachte erst am nächsten Morgen.
    Von diesem Moment an verbrachte ich meine gesamte Frei zeit in der Scheune bei Ren, dem Tiger. Ihm schien meine Gesellschaft zu gefallen, und er spitzte jedes Mal die Ohren, sobald ich ihm vorlas. Ich löcherte Matts Vater mit unzähligen Fragen über Tiger, bis mich das Gefühl beschlich, dass er mir absichtlich aus dem Weg ging. Allerdings schätzte er meine Arbeit.
    Jeden Tag stand ich sehr früh auf, um mich um den Tiger und die Hunde zu kümmern, und jeden Nachmittag eilte ich zur Scheune, um mich neben Rens Käfig zu setzen und in mein Tagebuch zu schreiben. Abends brachte ich meine Steppdecke und ein Buch mit. Manchmal suchte ich ein Gedicht aus und trug es vor. Dann wieder unterhielt ich mich einfach nur mit ihm, das heißt: Ich redete und er hörte zu, zumindest hatte ich den Eindruck.
    Ungefähr eine Woche nachdem ich beim Zirkus zu arbeiten begonnen hatte, schauten Matt und ich uns wie üblich eine der Vorstellungen an. Als die Tigernummer an der Reihe war, benahm sich Ren auf einmal sonderbar. Nachdem er den Tunnel herabgetrottet war und den Käfig betreten

Weitere Kostenlose Bücher