Kuss im Morgenrot: Roman
den heftig pochenden Puls am Halsansatz.
»Hab keine Angst.«
»Bitte, ich kann nicht …«
»Sag es.«
Catherine war nicht imstande, ihn anzusehen. Ihr wurde heiß und kalt. Sie holte tief Luft und brachte ein zitterndes Flüstern zustande. »Ich m…mag dich.«
»Na also«, murmelte Leo und zog sie zu sich heran. »War das so schlimm?«
Ihr Körper verzehrte sich danach, sich an seine Brust zu schmiegen. Aber stattdessen stemmte sie die Arme dagegen, um ihn auf Abstand zu halten. »Aber es macht keinen Unterschied«, zwang sie sich zu sagen. »Tatsächlich macht es sogar alles noch schlimmer.«
Sein Griff lockerte sich. Er warf ihr einen fragenden Blick zu. »Schlimmer?«
»Ja, weil ich dir nie mehr geben könnte als das. Und wenn du auch jetzt das Gegenteil behauptest, so wirst du dir doch die Art von Ehe wünschen, die deine Schwestern führen. Die Art, wie Amelia mit Cam ist, die Hingabe und Vertrautheit … du wirst das auch wollen.«
»Ich will keine Hingabe für Cam empfinden.«
»Mach dich nicht lustig darüber«, sagte sie kläglich. »Ich meine es ernst.«
»Tut mir leid«, antwortete er leise. »Manchmal fühle ich mich in ernsten Gesprächen unwohl, und dann neige ich dazu, auf meinen Humor zurückzugreifen.« Er hielt inne. »Ich verstehe, was du mir versuchst zu erklären. Aber was, wenn ich dir sagen würde, dass mir körperliche Anziehung und das Gefühl, gemocht zu werden, ausreichen?«
»Ich würde dir nicht glauben. Weil ich weiß, wie unglücklich du werden würdest, wenn du im Vergleich die Ehen deiner Schwestern siehst oder dich daran erinnerst, wie treu ergeben sich deine Eltern waren. Verglichen damit, wäre unsere nur eine Fälschung. Eine Parodie.«
»Wie kannst du dir so sicher sein, dass wir uns nicht umeinander kümmern würden?«
»Ich weiß es einfach. Ich habe in mich hineingehorcht, ich habe in mein Herz geschaut, und ich habe es nicht gefunden. Das habe ich vorhin gemeint. Ich glaube nicht, dass ich jemals in der Lage wäre, jemandem genügend zu vertrauen, um ihn zu lieben. Nicht einmal dir.«
Leos Miene war ausdruckslos, aber Catherine spürte, dass etwas Düsteres unter seiner Selbstbeherrschung lauerte, etwas, das Wut oder Verzweiflung durchblicken ließ. »Es ist nicht so, dass du nicht in der Lage wärst«, sagte er. »Du willst einfach nicht. Das ist der Punkt.« Er gab sie behutsam frei und begann, seine Kleider einzusammeln. Während er sich anzog, sprach er mit einer Stimme, deren farblose Höflichkeit ihr fast Angst machte. »Ich muss jetzt gehen.«
»Du bist wütend.«
»Nein. Aber wenn ich bleibe, werde ich dir bis morgen früh noch tausend Heiratsanträge gemacht und tausendmal mit dir geschlafen haben. Und selbst meine Toleranz für Zurückweisung hat ihre Grenzen.«
Worte des Bedauerns und Selbstvorwürfe lagen ihr auf den Lippen. Aber sie hielt sie zurück, denn sie spürte, dass sie ihn damit nur noch wütender machen würde. Leo war kein Mann, der die Herausforderung scheute. Aber er begann zu verstehen, dass er gegenüber der Herausforderung, die sie darstellte, machtlos war. Es handelte sich um eine rätselhafte, unerklärliche Unentschlossenheit, für die es keine Lösung gab.
Nachdem er sich angezogen und seinen Mantel übergeworfen hatte, kehrte er noch einmal an ihr Bett zurück. »Versuch keine Vorraussagen zu treffen, wozu du in der Lage sein würdest«, murmelte er und schob einen Finger unter ihr Kinn. Er beugte sich zu ihr hinunter, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und fügte hinzu: »Du könntest von dir selbst überrascht sein.« Dann ging er zur Tür, öffnete sie und schaute auf den Flur hinaus. Er warf Catherine noch einen Blick über die Schulter zu. »Schließ hinter mir die Tür ab.«
»Gute Nacht«, brachte sie mühsam hervor. »Und … es tut mir leid, Mylord. Ich wünschte, ich wäre anders. Ich wünschte, ich könnte …« Sie hielt inne und schüttelte kläglich den Kopf.
Leo wartete noch eine Weile, dann warf er ihr einen belustigten Blick zu, in dem eine Warnung mitschwang. »Du wirst diesen Kampf verlieren, Cat. Und ob es dir gefällt oder nicht, du wirst in deiner Niederlage sehr glücklich sein.«
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Vanessa Darvin am nächsten Tag einen Besuch abzustatten war das Letzte, wozu Leo Lust hatte. Aber er war auch neugierig, warum sie ihn sehen wollte. Die Adresse, die Poppy ihm gegeben hatte, war in der South Audley Street in Mayfair und nicht weit von dem Reihenhaus entfernt, das er sonst
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