Kussen hat noch nie geschadet
ihrem Puls ruhte, und er fragte sich, ob dort noch immer sein Name eintätowiert war oder ob sie ihn hatte entfernen lassen. »Ich würde ja gern noch bleiben und den ganzen Abend mit dir plaudern, aber ich muss arbeiten«, flötete sie mit diesem Lächeln, das Sam nicht eine Sekunde lang täuschte. Sie spreizte den Ellbogen ab, und er schob ihr die Ledermappe wieder unter die Achsel. »Danke. Amüsier dich gut.« Sie ließ ihn stehen und stolzierte aus dem Saal. Sam drehte sich um und sah ihr nach. Das lief gut. Irgendwie zu gut. Er verließ sich besser nicht darauf, dass sie ihn nicht doch noch kalt erwischte und ihm heimlich Arsen oder ein Abführmittel ins Essen mischte. Vielleicht sogar beides, damit er möglichst jämmerlich verreckte.
Sein Blick glitt von ihrem rötlichen Pferdeschwanz über ihren schmalen Rücken zu den hübschen Kurven ihrer Hüfte. Die Patten der zwei Gesäßtaschen lenkten seine Aufmerksamkeit auf ihren drallen Hintern. Autumn war eine hübsche Frau, ohne Zweifel, aber hinreißend war sie nicht. Sie hatte sanfte Rundungen an all den richtigen Stellen. Eine schlanke Taille und schöne Brüste, und er hielt sich auch nicht für einen Perversling, weil er so dachte. Schließlich hatte er sie nackt gesehen, allerdings war ihr Körper im Grunde nichts Besonderes. Sie war nicht sein Typ. Er mochte große dünne Frauen mit Riesentitten. Hatte immer den überkandidelten Typ anziehend gefunden. Warum also hatte er in jenen wenigen Tagen in Las Vegas eine derart durchschnittliche Frau so verdammt faszinierend gefunden?
Sam verließ den Saal ebenfalls und mischte sich wieder unter die Gäste, die gerade mit Champagner auf das Brautpaar anstießen. Er hätte seine seltsame Faszination für Autumn auf Las Vegas schieben können. In dieser Stadt kam einem nie etwas real vor. Oder auf den Alkohol. Der war in Strömen geflossen. Oder darauf, dass damals Juni war. Im Juni spielte er immer ein bisschen verrückt, doch er war sich nicht sicher, ob es an einem dieser Aspekte gelegen hatte.
Er schnappte sich von einem vorbeischwebenden Tablett ein neues Glas Champagner und stellte das leere zurück. Das Einzige, was ihm wirklich klar war, dessen er sich hundert Prozent sicher war, war, dass er in einer Bar eine rothaarige Frau kennengelernt, sie drei Tage später geheiratet und am nächsten Morgen wie ein benutztes Badetuch bei Caesar’s zurückgelassen hatte. Er verstand, warum Autumn ihn hasste. Er begriff es und konnte es ihr nicht verübeln. Sein damaliges Verhalten gehörte nicht zu seinen glorreichsten Momenten. Nur traurig, dass es auch nicht sein schlechtester gewesen war.
Durch die Menschenmenge, die sich jetzt um Ty und Faith scharte, erhaschte er wieder einen Blick auf den rötlichen Pferdeschwanz. Die Gästeschar teilte sich für einen kurzen Moment, und er beobachtete, wie Autumn dem Brautpaar zwei Sektgläser mit Cidre reichte. Es konnte nur einen Grund geben, warum Ty und Faith auf ihrer eigenen Hochzeit keinen Schampus tranken. Und der war nicht, dass sie plötzlich zum Glauben gefunden hatten.
Autumn zog sich diskret zurück, und Sam verlor sie aus den Augen. Ty und Faith freuten sich bestimmt auf das Kind. Sie sahen glücklich aus.
Sam schlürfte einen Schluck aus der kristallenen Sektflöte. Er selbst war vor sechs Jahren nicht gerade happy gewesen, als er erfuhr, dass er Vater würde; doch das hatte sich geändert, als er erfahren hatte, dass Conner wirklich sein Sohn war, und er ihn zum ersten Mal im Arm hielt.
»Hey, Sam.«
Er warf einen Blick hinter sich, wo der neueste Assistenztrainer der Mannschaft, Mark »der Hitman« Bressler, stand. Bis ungefähr vor einem Jahr war Mark ein Elite-Eishockeyspieler und Kapitän der Chinooks gewesen. Doch letzten Winter hatte er einen furchtbaren Autounfall gehabt, der seiner Karriere ein jähes Ende gesetzt hatte. Danach hatte Ty Savage Marks Platz in der Mannschaft eingenommen. »Scheint, als hätte der Kapitän unserer Besitzerin einen Braten in die Röhre geschoben.« Er deutete mit seinem Glas auf das glückliche Paar. »Das muss beim Eishockey eine Premiere sein.«
»Himmelherrgott, LeClaire. Achte auf deine Ausdrucksweise!«
»Welche Ausdrucksweise?« Hatte er geflucht, ohne was davon zu merken?
»Hier sind Damen anwesend.«
Er hatte nur Braten in die Röhre geschoben gesagt. Seit wann war Braten in die Röhre geschoben eine fragwürdige »Ausdrucksweise« und Himmelherrgott nicht? Und seit wann interessierte Bressler das? Sam
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