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Kusswechsel

Kusswechsel

Titel: Kusswechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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Armaturenbrett. Eine ängstliche Frau hätte sich von Big Blue einschüchtern lassen. Grandma war ein bisschen in sich zusammengesunken, aber ängstlich war sie keineswegs, und einschüchtern ließ sie sich schon gar nicht. Eine halbe Minute nachdem sie mir versprochen hatte, im Auto sitzen zu bleiben, stand sie auf dem Bürgersteig und kam hinter mir her.
    »Ich dachte, du wolltest im Auto warten«, sagte ich.
    »Ich habe mich anders entschieden. Vielleicht brauchst du ja Hilfe.«
    »Na gut, aber ich rede mit ihm, und du hältst den Mund. Ich will ihn nicht verschrecken.«
    »Klar«, sagte Grandma.
    Ich pochte an Sweets Haustür, und nach dem dritten Klopfen wurde sie geöffnet. Sally Sweet sah mich an, der Wiedererkennungseffekt setzte ein und ein fettes Grinsen schlug sein Gesicht in Falten. »Lange nicht gesehen«, sagte er. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Wir wollen Sie zurück ins Kittchen schleifen«, sagte Grandma.
    »Scheiße«, sagte Sally und knallte die Tür zu.
    »Was sollte das denn?«, fragte ich Grandma.
    »Weiß ich auch nicht. Ist mir so rausgerutscht.«
    Ich klopfte noch mal an die Tür. »Machen Sie die Tür auf«, sagte ich. »Ich will nur mit Ihnen reden.«
    Sally öffnete die Tür einen Spalt und spähte hinaus. »Ich kann nicht ins Gefängnis. Ich verliere sonst meinen Job.«
    »Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
    Die Tür flog sperrangelweit auf, Sally trat zur Seite, um uns hereinzulassen, und ich schoss warnende Blicke auf Grandma.
    »Mein Mund ist versiegelt«, sagte sie und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Lippen, als wollte sie einen Reißverschluss zuziehen. »Und jetzt guck! Ich mache den Reißverschluss zu und werfe den Haken weg. Siehst du? Ich habe den Haken weggeworfen.«
    Sally und ich sahen Grandma ungläubig an.
    »Hmpf, mpf, mpf«, sagte Grandma.
    »Also, was gibt’s so Dringendes?«, fragte ich Sally.
    »An den Wochenenden habe ich Gigs mit meiner Band«, sagte er. »Und in der Woche fahre ich einen Schulbus. Es sind nicht mehr die glorreichen Zeiten wie früher, als ich noch bei den Lovelies war, aber es ist ziemlich cool.«
    »Und was ist an dem Vorwurf mit dem Überfall dran?«
    »Völlig aus der Luft gegriffen. Ich unterhalte mich friedlich mit so einem Kerl, und urplötzlich macht der mich an. Ich sag’ zu ihm, hör zu, das ist nicht mein Ding. Na gut, ich hatte ein Kleid an und so, aber das gehört zu meiner Bühnenfigur. Ich trage auf der Bühne eben ein Kleid, das ist meine Nummer, so wie ein Markenzeichen. Es war zwar ein Supportact für eine Rap-Gruppe, aber das Publikum erwartet einfach, dass ich in einem schönen Kleid auftrete. Schließlich bin ich Sally Sweet. Ich setze meinen Ruf aufs Spiel.«
    »Begreiflich, dass es da zu Missverständnissen kommen kann«, sagte Grandma.
    Ich gab mir redlich Mühe, nicht allzu entsetzt zu reagieren. »Und deswegen haben Sie ihn geschlagen?«
    »Nur ein Mal … mit meiner Gitarre. Auf seinen Fettarsch geklopft.«
    »Du liebe Güte«, sagte ich. »War er verletzt?«
    »Nein. Aber ich habe seine Brille kaputtgemacht. Der Typ war ein Waschlappen. Er hat mit dem Streit angefangen, und dann läuft er zur Polizei und erstattet Anzeige. Sagte, ich hätte ihn ohne jeden Grund geschlagen. Hat mich einen zugedröhnten Gitarristen genannt.«
    »Und? Waren Sie zugedröhnt?«
    »Natürlich nicht. Klar rauche ich zwischen den Sets schon mal Gras, aber jeder weiß, dass Gras nicht als Droge zählt, wenn man Gitarre spielt. Außerdem bin ich wahnsinnig vorsichtig. Ich kaufe nur Bio-Gras. Ich rauche nur natürliche Drogen. Natürliche Drogen sind okay. Natürliches Gras, natürliche Pilze …«
    »Das wusste ich gar nicht«, sagte Grandma.
    »Das ist wissenschaftlich bewiesen«, klärte Sally sie auf.
    »Ich glaube, es gibt sogar Vorschriften vom Musikerverband, dass Gitarristen zwischen den Sets Gras rauchen müssen.«
    »Das kann man verstehen«, sagte Grandma.
    »Ja«, sagte ich. »Das erklärt vieles.«
    Sally hatte sein Kostüm abgelegt, er trug Jeans, ausgelatschte Turnschuhe und ein verblichenes Black-Sabbath-T-Shirt. In flachen Sohlen war er schon über eins achtzig groß, in Stöckelschuhen über zwei Meter. Er hatte eine große Hakennase und einen Wust schwarzer Haare … am ganzen Körper. Eigentlich war er ganz in Ordnung, aber er war garantiert die hässlichste Fummeltriene weit und breit. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Mann bei klarem Verstand einen Typen wie Sally anmachen

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