Kutath die sterbende Sonne
nackt lassend, eine Schamlosigkeit, die einen Hitzeschwall in Mri-Gesichter trieb. Niun hob die Hand, als sich weitere gewaltige Korridore vor ihnen erstreckten und sich mehr Elee hier und dort um sie herum und dahinter verstreuten, und die am nächsten Stehenden klammerten sich erschreckt aneinander.
»Du!« sagte Niun und deutete auf einen, der groß genug war, um männlich zu sein, und der daher auf jeden Fall nicht zum Kath gehörte. Die Gewänder verbargen die Körper, und die Gesichter glichen sich alle in ihrer Zartheit. »Du, komm und sprich!«
Das weiße Gesicht zeigte Schrecken, und die Hände klammerten sich an die Gefährten. Der Elee zö- gerte, und kam dann trotz seines hochgewachsenen Körperbaues mit kleinen Schritten näher wie ein furchtsames Kind. Er hatte ein seltsames Gesicht, mriähnlich, weiß einschließlich der Lippen und mit blaß- blauen Augen, die um die Lider blau schattiert waren. Schminke, entschied Niun. Es war Schminke. Sie belebte die Augen, ließ ihren Ausdruck sanft und verletzlich erscheinen.
»Geht weg!« sagte der Elee mit schwacher und stark akzentuierter Stimme.
Niun lachte beinahe. »Wo ist deine Mutter?« fragte er und erwartete zumindest auf diese Frage ein Aufflackern des Trotzes. Aber der Elee ließ als Antwort den Blick zum weiterführenden Korridor schweifen, und das Kel murmelte vor Abscheu.
»Geh mit uns!« sagte Niun, und als der Elee sich wie zur Flucht spannte: » Wir machen keine Gefangenen . Geh mit uns!«
Der Elee wirkte in einem Moment, als würde er unter dem Schrecken zerbrechen, und im nächsten zeigte er ein Lächeln, vollzog mit den Händen eine würdevolle Geste und bot ihnen den Weg voraus an.
Niun betrachtete seine Kameraden, betrachtete Melein, die sich an diesem Tsi'mri-Ort verschleiert hatte. »Frag nach seinem Namen!« sagte sie.
»Mutter-der-Mri, er lautet Illatai.«
Waffen wurden geschwungen. Tsi'mri sprachen nicht zu ihr, es sei denn unter Lebensgefahr; sie befahl jedoch Einhalt und blickte zu Niun. »Sag diesem Illatai, daß er uns zur She'pan der Elee bringen muß!«
Illatai sah sich zu seinen starrenden Leuten um und sein Gesicht zeigte Bestürzung, das Lächeln drohte zu verschwinden. Die Dusei regten sich und stöhnten.
Tsi'mri, dachte Niun, die nicht einmal nach so langer Zeit die Mri kannten. Er überlegte, packte Illatai am Saum des dünnen Ärmels und führte ihn; der würdevolle Mann folgte ihm, blickte trotz ihrer Schleier mit einem Lächeln von einem Kel'en zum anderen und ließ weder die Augen der Tiere aus, noch veränderte er sein Lächeln. Niun gab ihn frei und erlaubte ihm zu gehen, wie er wollte.
Es war ein Traum und ein Alptraum, die Hallen aus gemeißeltem Fels und Glas, das von juwelenfarbenen gläsernen Strukturen beleuchtet wurde mit einem Licht, das den Boden aus gemustertem Stein und die weißen Mähnen und die Haut der Elee färbte und auch Meleins Gewänder entweihte. Das Kel sprach kein Wort, nicht ein einziges, denn hier gab es Tsi'mri, und sie waren zu stolz; aber die Elee redeten hinter ihren zierlichen Händen und wichen vor den Mri zurück, verbargen sich hinter ihren Monumenten, ihren Säulen aus gewachsenem Stein und ihren Juwelenlampen. Hier ragten Säulen bis zur Decke empor, in Gold gearbeitete Schlangen, die an gemeißeltem Fels hinaufkrochen und die Decke hielten oder sich daran entlang wanden, von einer Seite zur anderen.
Und dahinter ein Bogengang aus Glas und feuchtigkeitsumwölkte Türen, ein Ort, wo reichlich Pflanzen wuchsen und Wasser an Steinwänden floß oder aus Glasscheiben entsprang. Blumen blühten in Wärme und Sprühregen. Reben hingen dick herab und Früchte reiften, üppig und voller Feuchtigkeit. »Götter!« sagte jemand im Mu'ara der Ja'anom. Sie alle waren durch solchen Reichtum geblendet; dies , dachte Niun, dies war einst Kutath, bevor die Meere schwanden.
Und praktischere Dinge: »Pumpen«, brummte Duncan ganz leise. Sie mußten tiefer hinabreichen als die Meeresbecken, um solche Fülle heraufzubefördern.
Mehr Glas, weitere Täfelungen und Schirme und Prismenfarben: Niun erinnerte sich an Regenbogen, die es auf Kesrith gegeben hatte und die auf Kutath vergessen waren. Türen öffneten sich unter den kraftlosen Händen Illatais; sein Lächeln blieb, seine Bewegungen waren weder schnell noch langsam, sondern so fließend wie strömendes Wasser. Hinter den Türen drängten sich noch mehr Elee und versammelten sich hier, um den Weg zu versperren, Geschöpfe so zart wie
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