Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
Misanthrop, dieser skeptische Agnostiker – diesmal wird er kein Haar in der Suppe finden, diesmal werden ihm Hohn und Spott im Halse steckenbleiben! Soll er doch herumschnüffeln, soll er doch nach schwachen Stellen suchen, umsonst wird er suchen, weil jeder dem anderen unausgesetzt hilft, und sich dadurch das ganze System selbst optimiert, bis es einfach nicht mehr besser werden kann … Doch halt, wird es ihnen auch nicht zuviel, werden sie sich am Ende nicht überanstrengen, können sie denn diesen Hagel guter Taten aushalten, müssen sie nicht unter dieser Lawine einfach ersticken? Man müßte wohl hier und da ein paar Regler einbauen, ein paar Unterbrecher, auch glücksabweisende Schutzschirme, Anzüge und Isolierzellen könnte man konstruieren … Aber immer langsam voran, nur nichts überstürzen, damit sich nicht erneut Fehler einschleichen. Fassen wir also zusammen, primo – immer vergnügt, secundo – freundlich und wohlwollend, tertio – hüpfen vor Freude, quarto – rosig und wohlgenährt, quinto – es geht ihnen glänzend, sexto – grenzenlos hilfsbereit … das genügt, wir können anfangen!«
Erschöpft von diesen ebenso schwierigen wie langwierigen Überlegungen schlief Trurl bis zum Mittag, dann sprang er energiegeladen und voller Tatendrang aus dem Bett, brachte die Pläne zu Papier, stellte die Algorithmen auf, perforierte die Programmbänder und schuf für den Anfang eine glückliche Gesellschaft bestehend aus neunhundert Individuen. Um das Prinzip der Gleichheit aller zu verwirklichen, machte er sie einander verblüffend ähnlich. Damit sie sich nicht im Kampf um Wasserstellen und Jagdgründe den Schädel einschlugen, machte er sie für ihr ganzes Leben unabhängig von Speis und Trank: Kalte, atomare Feuerchen dienten ihnen als einzige Energiequelle. Von seiner Veranda aus beobachtete er bis zum Sonnenuntergang, wie sie selig umherhüpften, lauthals ihr Glück verkündeten, einander Gutes taten, einander wohlwollend übers Haupt strichen, einander Steine aus dem Weg räumten und allgemein ein Leben voller unbeschwerter Fröhlichkeit, Freude und Sorglosigkeit führten. Wenn sich jemand den Fuß verrenkt hatte, gab es gleich einen riesigen Auflauf, nicht etwa von Schaulustigen, sondern von eifrigen Helfern, weil alle nach dem kategorischen Imperativ handeln wollten. Zwar konnte es anfänglich schon einmal vorkommen, daß sie im Übereifer einen Fuß herausrissen statt ihn einzurenken, aber mit Hilfe von ein paar Reglern, hastig montierten Drosselspulen und Widerständen beseitigte Trurl auch diesen Mangel. Dann ließ er Klapauzius rufen. Dieser betrachtete das freudetrunkene Treiben mit eher düsterer Miene, hörte sich das unablässige Jubelgeschrei eine Weile an, wandte sich schließlich wieder Trurl zu und fragte:
»Und traurig sein können sie nicht?«
»Was für eine idiotische Frage! Natürlich nicht!« gab Trurl hitzig zurück.
»Dann müssen sie also immer so herumhüpfen, wohlgenährt und rosig aussehen, Gutes tun und lauthals verkünden, wie prächtig es ihnen geht?«
»Ja.«
Als er sah, daß Klapauzius nicht nur mit Lob geizte, sondern offensichtlich nicht willens war, auch nur ein einziges Wort der Anerkennung über die Lippen zu bringen, fügte Trurl zornig hinzu:
»Zugegeben, ein etwas monotoner Anblick, vielleicht nicht ganz so malerisch wie ein Schlachtfeld, aber meine Aufgabe war es, das Glück zu schaffen, nicht etwa dir ein dramatisches Schauspiel zu bieten!«
»Wenn sie tun, was sie tun, weil sie’s tun müssen«, sagte Klapauzius, »dann, lieber Trurl, steckt in ihnen ebensoviel Gutes wie in einer Straßenbahn, die den Passanten auf dem Bürgersteig nur deswegen nicht überfährt, weil sie dazu aus ihren Schienen springen müßte. Das Glück erwächst aus guten Taten, aber kann es der gewinnen, der unablässig anderen übers Haupt streichen, vor Freude brüllen und Steine aus dem Weg räumen muß, oder nicht vielmehr derjenige, der auch einmal traurig ist, jammert und schluchzt oder seinem Nächsten den Schädel einschlagen möchte, aber freiwillig und mit Freuden darauf verzichtet? Deine armseligen Kreaturen in ihren psychischen Zwangsjacken sind doch allenfalls lächerliche Karikaturen der hohen Ideale, die schnöde zu verraten dir bestens gelungen ist.«
»Aber was redest du denn da? Sie sind doch vernünftige Wesen …«, stotterte Trurl wie betäubt.
»So?« fragte Klapauzius. »Das wird sich gleich herausstellen!«
Mit diesen Worten begab er sich zu
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