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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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rief Trurl, nicht sonderlich überzeugt. »Die letzten Worte waren ausgesprochen sinnvoll! Ist dir das aufgefallen?«
    »Ja, wenn das alles sein soll …«, sagte Klapauzius mit ausgesuchter Höflichkeit.
    »Hol’s der Teufel!« schrie Trurl und verschwand erneut im Innern der Maschine; grimmiges Hämmern und Dröhnen erscholl, man hörte das Fauchen und Zischen kurzgeschlossener Drähte sowie das unterdrückte Fluchen des Konstrukteurs. Dann steckte Trurl seinen Kopf durch die Luke im dritten Stock und schrie: »Versuch es jetzt einmal!!«
    Klapauzius schaltete ein. Der Elektrobarde erbebte vom Fundament bis in den neunten Stock und begann:
    »Blechtig auf düsender Vau erstählen die queckselnden Barken, aber der eisende Veit …«
    Hier brach er ab, denn Trurl hatte voller Wut ein paar Kabel herausgerissen; ein Schnarren und Rasseln war zu hören, und dann verstummte die Maschine. Klapauzius bekam einen so heftigen Lachkrampf, daß er sich auf den Boden setzen mußte. Während Trurl noch fieberhaft an allen möglichen Schaltern und Hebeln hantierte, war plötzlich ein Knacken und Knistern zu hören, und die Maschine gab ruhig und gelassen folgende Worte von sich:
     
    Dumpfe und niedere Geister
    Beneiden die großen Meister.
    Sie fordern das Genie heraus,
    Den Löwen reizen will die Maus.
    Klapauzius handelt ebenso,
    Doch wird er seines Tuns nicht froh.
    Er lauschet mit finstrer Miene
    Den Versen aus Trurls Maschine.
    Ihr Wohlklang macht ihn ärgerlich,
    gibt seinem Herzen einen Stich.
     
    »Na, siehst du? Ein Epigramm! Und recht gelungen, nebenbei bemerkt!« schrie Trurl und hastete die engen Wendeltreppen aus Stahl mit solchem Tempo hinab, daß er unten angekommen dem Freunde buchstäblich in die Arme sank. Der aber war äußerst irritiert und lachte überhaupt nicht mehr.
    »Das ist eine Gemeinheit!« platzte Klapauzius heraus. »Außerdem ist das nicht er, das bist du!«
    »Was soll das heißen – ich?«
    »Du hast es schon lange vorher programmiert. Ich merke es gleich an der primitiven Machart, der ohnmächtigen Bosheit und der Armseligkeit der Reime!«
    »Wenn du das glaubst, dann stell ihm doch ein anderes Thema! Welches immer du willst! Na, warum sagst du nichts? Hast wohl Angst, wie?«
    »Angst habe ich nicht, ich denke nur nach«, sagte Klapauzius verärgert. Er bemühte sich fieberhaft, die schwierigste aller denkbaren Aufgaben zu finden, denn nicht ganz zu Unrecht war er der Meinung, daß sich über die Vollkommenheit oder Nichtvollkommenheit von Versen endlos streiten lasse.
    Plötzlich hellte sich seine Miene auf und er sagte: »Ich will, daß der Elektrobarde ein erotisches Gedicht verfaßt. Es darf maximal sechs Zeilen haben und soll von Liebe und Treuebruch, Musik, Mohren und höheren Sphären handeln, sowie von Unglück und Inzest. Natürlich muß es gereimt sein, und sämtliche Worte dürfen nur mit dem Buchstaben ›S‹ beginnen!«
    »Warum sollte es nicht eine ganze Vorlesung zur allgemeinen Theorie nichtlinearer Automaten enthalten, wenn du schon einmal dabei bist?« knurrte Trurl wütend. »Du kannst doch nicht solch idiotische Beding …«
    Doch weiter kam er nicht, denn in diesem Moment erklang ein schmelzender Bariton und füllte die Halle mit folgenden Worten:
     
    Sonette so süß sang Sensophil seiner schwarzen Schönen,
    Sittsam schien sie, sehr scheu, sehr stolz, sehr stur,
    Sie schauderte, sie spürte schon der Sünde sanftes Stöhnen,
    So schnell schmolz sie, so sinnlich schien sein Schwur.
    … Sensophil, schamlosester Sproß seiner Sippe, schwächte
    seine schwarzlockige Schwester.
     
    »Na, was sagst du dazu?« sagte Trurl und warf sich in die Brust, doch schon schrie Klapauzius völlig außer sich:
    »Und jetzt alles auf ›G‹! Einen Vierzeiler über Goto-Golem, denkender und denkfauler Roboter zugleich, gewalttätig und grausam, Besitzer von sechzehn Konkubinen, zwei Flügeln und vier bemalten Koffern; und in jedem Koffer sind tausend Golddukaten mit dem Portrait des Kaisers Murdegern; darüber hinaus bewohnt er zwei Paläste, bringt sein Leben mit Morden hin und …«
    »Grausam grinsend grub Goto-Golem greinenden Greisen gräßliche Gräber …« begann der Barde, doch Trurl stürzte ans Schaltpult, unterbrach die Stromzufuhr, stellte sich schützend vor die Maschine und schrie mit vor Wut heiserer Stimme:
    »Schluß mit dem Unsinn! Ich werde nicht dulden, daß ein so großes Talent schmählich vergeudet wird! Entweder du bestellst anständige Gedichte oder ich blase

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