Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
die ganze Geschichte ab!«
»Waren das etwa keine anständigen Gedichte?« begann Klapauzius.
»Ganz bestimmt nicht! Glaubst du, ich habe die Maschine gebaut, damit sie idiotische Kreuzworträtsel löst? Das ist literarische Kärrnerarbeit, aber keine Große Kunst! Also stell ihr endlich ein vernünftiges Thema, so schwierig und anspruchsvoll es auch sein mag!«
Klapauzius dachte angestrengt nach. Schließlich nickte er und sagte:
»Gut. Es soll von Liebe und Tod handeln, aber alles muß in der Sprache der höheren Mathematik ausgedrückt sein. Im wesentlichen Tensor-Algebra, vielleicht ein wenig höhere Topologie und Analyse. Dabei erotisch stark, sogar etwas gewagt, und natürlich ganz im Geiste der Kybernetik.«
»Hast du den Verstand verloren? Liebe und Tensor-Algebra? – Ja weißt du denn noch, was du sagst?« schrie Trurl, verstummte jedoch gleich wieder, denn der Elektrobarde begann zu deklamieren:
Komm, laß uns tanzen in den Banach-Raum,
Wo Punktepaare wohlgeordnet sind,
Und Riemannsche Blätter rascheln im Wind,
Gefaltet, geheftet, schön wie im Traum.
Ich pfeife auf Bernoullis Fixpunktsatz,
Was soll’n mir Hubert, Euler oder Venn
Mit ihren Indizes von eins bis n,
wenn du mich liebst, mein rationaler Schatz!
Fixpunkte träumen von Kontraktionen,
Vektor schmeichelt der schönen Matrize,
Spalten bringt er in siedende Hitze,
Heiß und ergodisch glühen die Zonen.
Mordells Vermutung ist kein leerer Wahn,
Denn deine Kurven sind mein höchstes Ziel,
Ich zählte süßer Punkte endlich viel,
Und meine Graphen kreuzten ihre Bahn.
Du bist mein maximales Ideal,
Der Zustand meiner Liebe ist stabil,
Doch deine Kovarianten sind labil
Und unbestimmt wie Eulers Integral.
In deinen Augen glänzt der Eigenwert,
In jedem Seufzer schwingt ein Tensor mit,
Du weißt nicht, wie mein Operator litt,
Hast du ihm doch Funktionen stets verwehrt.
Den Ring aus Polynomen gab ich dir,
Dazu die Markov-Kette mit dem Stein,
All deine Tensorfelder waren mein,
Nur dein Quotientenkörper fehlte mir.
Lösch mich nicht, denn was wird von mir bleiben?
Parabeln, deren Brennpunkt niemand weiß,
Abszissen, zwei Mantissen und ein Kreis.
Laserstrahl wird mich zu Staub zerreiben.
Erstarren meine positiven Glieder,
Näht man mein topologisch Leichenhemd,
Vergiß mich nicht, werd mir nicht teilerfremd
Und sing am Grab mir lineare Lieder!
Damit war der Dichterwettstreit beendet; Klapauzius mußte plötzlich dringend nach Hause. Er versprach, er werde bald mit neuen Themen für die Maschine zurückkehren, ließ sich jedoch nicht wieder sehen, weil er weitere Niederlagen ebenso fürchtete wie Trurls triumphierendes Gesicht. Trurl verkündete überall, sein bester Freund sei nur deshalb geflohen, weil er sonst vor Neid und Ärger geplatzt wäre. Klapauzius hingegen verbreitete das Gerücht, seit der Geschichte mit dem sogenannten Elektrobarden sei bei Trurl mehr als eine Schraube locker.
Es dauerte nicht lange, bis die Kunde vom Elektropoeten zu den wahren – d. h. den ganz gewöhnlichen Dichtern drang. Zutiefst beleidigt beschlossen sie, die Existenz einer derartigen Maschine zu ignorieren. Dennoch gab es einige, die von Neugier geplagt wurden und Trurls Elektrobarden einen Besuch abstatteten. Er empfing sie höflich in der Halle, die mit ganzen Stößen engbeschriebenen Papiers vollgestopft war, denn er produzierte seine Poesie Tag und Nacht, ohne Pause. Die Dichter waren samt und sonders Avantgardisten, der Elektrobarde hingegen schrieb ausschließlich im traditionellen Stil, denn Trurl, der von Lyrik nicht allzuviel verstand, hatte ganz auf die Klassiker gesetzt, als er den Barden programmierte. Daher machten sich die Gäste über den Elektrobarden lustig und verspotteten ihn so sehr, daß ihm um ein Haar sämtliche Kathodenröhren geplatzt wären. Danach verließen sie die Stätte ihres Triumphs mit stolzgeschwellter Brust. Die Maschine war jedoch selbstprogrammierend und verfügte obendrein über spezielle Ehrgeizverstärker mit ruhmsuchenden Stromkreisen, und daher vollzog sich bald eine tiefgreifende Änderung. Ihre Gedichte wurden dunkel, mehrdeutig, magisch und so symbolbeladen, daß sie nicht mehr zu verstehen waren. Als die nächste Gruppe von Dichtern eintraf, um Hohn und Spott über den Elektrobarden auszugießen, antwortete er mit einer kleinen Improvisation, die so modern war, daß ihnen der Atem stockte. Das zweite Gedicht hatte eine so starke Wirkung, daß
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