Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
sich unter die Menge und erfuhr bald aus den Gesprächen der Umstehenden, daß seine Befürchtungen der Realität ziemlich nahe kamen. Erst vor wenigen Augenblicken hatte ein angesehener Reeder, Eigentümer einer ganzen Handelsflotte, einen seiner Seeleute getroffen, den er wegen seines rechtschaffenen Charakters ganz besonders schätzte; jetzt aber war dieses rechtschaffene Individuum dabei, sämtliche Passanten mit Beleidigungen zu überschütten, und denjenigen, die ihn warnten und ihm rieten, besser seines Weges zu gehen, bevor die Polizei käme, schrie er trotzig entgegen, er könne sich verwandeln in wen immer er wolle, notfalls in die ganze Polizei auf einmal. Empört über solch ein Verhalten begann der Reeder einen Streit mit seinem Fahrensmann, der aber blieb ihm die Antwort nicht schuldig und prügelte mit einem dicken Knüppel auf ihn ein. In diesem Moment erschien eine Polizeistreife; sie machte ihren Kontrollgang durch den Hafen, der ja nicht selten Schauplatz von Tumulten und Schlägereien war, und wie es der Zufall wollte, wurde sie vom Bezirkskommandanten selbst angeführt. Der Kommandant erkannte mit einem Blick, daß der randalierende Seemann vernünftigen Argumenten nicht zugänglich war, folglich befahl er, ihn auf der Stelle ins Gefängnis zu werfen. Als man ihm Handschellen anlegen wollte, stürzte sich der Seemann plötzlich wie ein Besessener auf den Kommandanten und versetzte ihm einen heftigen Stoß mit dem Kopf, der mit zwei hornartigen Fortsätzen bewehrt war. Unmittelbar danach begann er zu brüllen, er sei Polizist, und zwar kein gewöhnlicher, sondern der Chef der Hafenpolizei. Der Kommandant geriet über diese offensichtlichen Hirngespinste nicht etwa in Zorn, im Gegenteil, er schien sich köstlich zu amüsieren und wollte sich ausschütten vor Lachen; dann befahl er seinen Untergebenen, den Radaubruder abzuführen und dabei ihre Fäuste respektive Gummiknüppel nicht allzusehr zu schonen.
So hatte es Balerion in weniger als einer Stunde geschafft, die Hülle seiner unsterblichen Seele zum dritten Mal zu wechseln und steckte nun im Körper des Polizeikommandanten, der bei Gott unschuldig wie ein Lamm war und dennoch im finsteren Kerker schmachtete. Klapauzius stöhnte bei diesem Gedanken auf und begab sich zum Polizeirevier, einem grauen und wuchtigen Gebäude unmittelbar am Meer. Niemand versperrte ihm den Weg, also ging er hinein, lief durch ein paar leere Räume, bis er schließlich vor einem bis an die Zähne bewaffneten Riesen stand. Der steckte in einer Uniform, die ihm ein paar Nummern zu klein war. Dieser Koloß warf Klapauzius einen finsteren Blick zu und machte eine drohende Bewegung, so als wolle er den ungebetenen Gast eigenhändig hinauswerfen – urplötzlich aber zwinkerte er Klapauzius zu (obwohl ihn dieser ja nie zuvor gesehen hatte) und brach in ein ohrenbetäubendes Gelächter aus, wobei sich die ans Lachen keineswegs gewöhnten Gesichtszüge merkwürdig veränderten. Seine Stimme war rauh, ohne jeden Zweifel die Stimme eines Polizisten, sein Lachen aber und besonders sein Augenzwinkern erinnerten Klapauzius unwillkürlich an Balerion, und tatsächlich, es war Balerion, der da auf der anderen Seite des Schreibtisches stand, wenngleich in höchst uneigener Person!
»Ich habe dich sofort erkannt«, sagte Balerion, der Polizeikommandant. »Du warst doch im Palast zusammen mit deinem Freund, der mir den Apparat gegeben hat, nicht wahr? Nun, was meinst du, habe ich jetzt nicht ein erstklassiges Versteck? Und wenn sich der ganze Thronrat auf den Kopf stellt, er wird mich niemals finden, nicht in tausend Jahren! Und es ist wirklich eine tolle Sache, so ein großer, starker Polizist zu sein. Sieh mal!«
Er ließ seine riesige Polizistenfaust mit solcher Gewalt auf den Schreibtisch niedersausen, daß die Platte barst, aber auch in seiner Hand hatte etwas verdächtig geknackt. Balerion zuckte zusammen, rieb sich die Hand und sagte:
»Vielleicht habe ich mir etwas gebrochen, aber das macht nichts, notfalls werde ich wieder umsteigen, in dich zum Beispiel! Na, wie wäre das?«
Klapauzius wich unwillkürlich in Richtung auf die Tür zurück, der Polizist aber versperrte ihm mit seiner riesigen Gestalt den Weg und fuhr fort:
»Nicht daß ich irgendetwas gegen dich persönlich habe, aber du kannst mir Schwierigkeiten machen, du weißt zuviel, alter Freund! Deshalb denke ich, es wird das beste sein, dich ins Kittchen zu stecken. Jawohl das wird das beste sein!« Er lachte
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