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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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dann aber die Mütze vom Kopf riß und ihn heftig mit zwei Hörnern stieß, woraufhin der Austausch der Persönlichkeiten erfolgte, den er immer noch nicht fassen konnte.
    Man muß zugeben, daß Klapauzius sein Bestes tat, um die Geschichte so glaubwürdig wie möglich erscheinen zu lassen. Er erzählte des langen und breiten von seinem verlorengegangenen Körper, wobei er den gemeinen Räuber mit Schmähungen überschüttete, der jetzt im Besitz dieses schönen Körpers war; ja er ging sogar so weit, sein eigenes Gesicht zu ohrfeigen und voll Verachtung abwechselnd auf seine Brust und seine Beine zu spucken. Er sprach von den Schätzen, die er mitgebracht hatte und beschrieb sie in allen Einzelheiten, besonders die Jungfrauen zum Aufziehen; er erzählte von seiner Familie, die er daheim zurücklassen mußte, von seinen sensorgesteuerten Söhnen und seinem Hochfrequenzterrier, von seiner Frau – einer von dreihundert – die ein Beuf Elektroganov so herrlich zubereiten konnte, daß es selbst der Tafel des Kaisers zur Zierde gereicht hätte; er weihte den Kommandanten sogar in sein größtes Geheimnis ein, nämlich daß er mit dem Kapitän seines Schiffs vereinbart hatte, jedem die Schätze auszuhändigen, der an Bord erschien und das richtige Losungswort nannte.
    Balerion hörte begierig zu, denn ihm schien alles an dieser wirren Geschichte logisch zu sein: Klapauzius, der sich offensichtlich vor der Polizei verstecken wollte, hatte dies bewerkstelligt, indem er in den Körper eines Ausländers geschlüpft war, eines Ausländers, der in prächtige Gewänder gekleidet und sicherlich sehr reich war, folglich konnte ihn dieser Transfer in den Besitz beträchtlicher Mittel bringen. Es war unübersehbar, daß Balerions Gedanken in die gleiche Richtung zielten. Mit List und Tücke versuchte er, dem falschen Ausländer das geheime Losungswort zu entlocken, der sträubte sich zunächst ein wenig, flüsterte es ihm schließlich aber doch ins Ohr, es lautete: »Niterk«. Jetzt war sich der berühmte Konstrukteur ganz sicher, daß sein Widersacher den Köder geschluckt hatte: Balerion, der Scharaden über alles liebte, konnte den Gedanken nicht ertragen, daß man sie mitsamt den Jungfrauen dem König schenken würde, denn schließlich war er ja nicht mehr König; und nachdem er die ganze Geschichte glaubte, war er auch fest davon überzeugt, daß Klapauzius einen zweiten Apparat besaß, denn er hatte keinen Grund, etwas anderes zu vermuten.
    Sie saßen eine Weile schweigend da, und es war unübersehbar, daß ein bestimmter Plan in Balerions Kopf heranreifte. Eher beiläufig und scheinbar desinteressiert begann er, den vermeintlichen Ausländer auszufragen, wo denn sein Schiff vor Anker liege, wie der Kapitän heiße usw. Klapauzius setzte bereitwillig antwortend ganz auf Balerions Habgier, und er sollte sich nicht getäuscht haben, denn der König stand plötzlich auf, erklärte, er müsse überprüfen, was ihm der Ausländer erzählt habe, verließ das Büro und verriegelte sorgfältig die Tür hinter sich. Dann befahl er noch im Weggehen – offensichtlich aus Schaden klug geworden – vor dem Fenster einen bewaffneten Polizisten Wache stehen zu lassen. Natürlich würde der habgierige Balerion nichts finden, denn es gab weder das Schiff, noch den Schatz, geschweige denn die Jungfrauen zum Aufziehen. Aber gerade das war der entscheidende Punkt in Klapauzius’ Plan. Kaum hatte sich die Tür hinter dem König geschlossen, da stürzte er zum Schreibtisch, zog den Apparat aus der Schublade und setzte ihn blitzschnell auf den Kopf. Dann wartete er in aller Ruhe auf die Rückkehr des Königs. Es war nicht viel Zeit vergangen, da hörte man schwere Schritte, dumpfe Flüche und Zähneknirschen, dann drehte sich der Schlüssel im Schloß, und schon tobte der Kommandant herein und brüllte:
    »Du Schuft! Wo sind das Schiff, die Schätze und die herrlichen Scharaden?«
    Mehr jedoch konnte er nicht sagen, denn Klapauzius sprang wie ein wildgewordener Ziegenbock hinter der Tür hervor und rammte ihm beide Hörner gegen die Stirn. Bevor Balerion die Zeit hatte, nach allen Regeln der Kunst in Klapauzius’ Körper umzusteigen, stand dieser schon in der Uniform des Kommandanten da, brüllte nach den Wachen und befahl, den gefesselten Schurken dort augenblicklich in den Kerker zu werfen und ihn keine Minute aus den Augen zu lassen! Wie betäubt durch diese plötzliche Wende der Dinge erkannte Balerion zunächst noch nicht, wie schändlich

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