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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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und obwohl er schon alt und trübe war und in der Mitte einen Sprung hatte, war es doch schade um ihn. Daher verschwendeten sie keine weiteren Worte, sondern nahmen ihr stärkstes Geschütz, vertäuten es mit einem soliden Knoten an jedem Horn und drückten auf den Knopf: »Paß auf, Kometin, das kostet dich den Kopf!« Ein Beben, ein Stöhnen, ein Ächzen und Dröhnen, der Himmel wurde taghell, zu Staub und Asche zerfiel die Kometin, ihr Ende kam so schnell – so ward der Kampf entschieden, es herrschte wieder Frieden.
    Nach einiger Zeit erscheint etwas am Horizont, und niemand weiß, was es ist, doch es ist gräßlich, und ganz gleich, unter welchem Blickwinkel man es betrachtet, es wird nur noch gräßlicher. Was immer es sein mag, es fliegt empor, läßt sich auf dem höchsten Gipfel nieder, so schwer und massig, daß es einfach nicht zu glauben ist, macht es sich dort bequem und rührt sich nicht. Doch es ist ein Ärgernis und eine wahre Plage.
    Daher sagten diejenigen, die in der Nähe waren: »Hallo, das muß ein Irrtum sein, wir sind die Stahlagmiten, wir fürchten nichts auf der Welt, wir leben auf keinem Planeten, sondern in einer Maschine, das aber ist keine gewöhnliche Maschine, sondern ein Traum von einer Maschine, mit Spannfedern und Zahnrädern, und vollkommen in jeder Beziehung, also geh deines Weges, garstiges Ungeheuer, sonst wird es dir schlecht ergehen!«
    Doch nichts, keine Reaktion.
    Um nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, entsenden sie zunächst keine große, sondern eine eher kleine Scheuchmaschine mit ferngesteuerten Schreckschrauben: Sie soll hingehen, dieses Ding da verscheuchen, und dann wird wieder Frieden herrschen. Die Maschine erhebt sich in die Luft, sämtliche Schreckschrauben sind in Alarmbereitschaft, und in ihrem Innern summen die Programme, eines schrecklicher als das andere. Sie nähert sich – hei, wie sie zischt, hei, wie sie faucht! Sie ist so furchteinflößend, daß ihr selbst ein wenig angst und bange wird – doch dieses Ding da zeigt keine Reaktion. Sie versucht es ein zweites Mal, jetzt auf einer anderen Frequenz, doch es will ihr nicht gelingen, denn sie schreckt und scheucht ohne das nötige Selbstbewußtsein.
    Die Stahlagmiten sehen, man muß etwas anderes versuchen. Sie sagen: »Laßt uns ein größeres Kaliber nehmen, mit hydraulischem Getriebe, Differential aus härtestem Stahl, Rückkopplungen auf jeder Seite, unbegrenzter Schußweite, damit sie zuschlagen kann, und zwar kräftig. Doch wird sie es auch schaffen? Ruhig Blut, an Bord sind atomare Waffen.«
    Und so ließen sie die Maschine starten: in jeder Hinsicht universal, mit doppeltem Differential, vollgepumpt mit Feedback, Laser-Kanonen am Heck, drinnen aber sitzen ein Mechaniker und ein Mechanist, damit sie gut zu steuern ist; doch das ist noch nicht alles, denn um ganz sicher zu gehen, hatten sie am Bug dieses Wunderwerks noch eine ihrer allerschrecklichsten Schreckschrauben montiert. Nun schwebt sie heran, ganz ohne Brummen und Knirschen, denn im hydraulischen Getriebe fehlt kein Tropfen Öl; sie schraubt sich in die Höhe, holt zum allesentscheidenden Schlag aus und beginnt mit dem tödlichen Countdown: »Noch fünf Sekunden, dann schlag ich dir Wunden, vier-drei-zwei, gleich ist’s vorbei, noch eine, noch null Sekunden, schon bist du verschwunden!« Hei, wie es blitzt und donnert! Steinpilze schießen aus dem Boden, sie wachsen schnell und strahlen hell, denn sie sind radioaktiv; das Öl ist ausgelaufen, das Getriebe knirscht; Mechaniker und Mechanist spähen durch die Luke: Haben wir’s geschafft? Doch weit gefehlt, nicht einmal einen Kratzer hat das Ding davongetragen!
    Die Stahlagmiten hielten Kriegsrat; dann bauten sie einen Mechanismus, der seinerseits einen derartigen Megalomechanismus konstruierte, daß die nächstgelegenen Sterne vor ihm zurückweichen mußten. Und in seiner Mitte befand sich eine Maschine mit öltriefenden Zähnen und Zahnrädern, in deren Inneren wiederum lauerte ein vollautomatisches Schreckgespenst, denn diesmal meinten sie es wirklich ernst.
    Der Megalomechanismus nahm alle Kraft zusammen und schlug los. Donnergrollen, eine gewaltige Explosion und ein Pilz, so riesig, daß man einen ganzen Ozean gebraucht hätte, um daraus Suppe zu kochen; Zähne knirschen, es ist dunkel, so dunkel, daß man nicht ausmachen kann, wessen Zähne es sind. Die Stahlagmiten schauen und schauen – nichts, aber auch absolut nichts, nur daß all ihre Maschinen und Mechanismen

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