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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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häßlich. »Sollte ich einmal in des Wortes wahrer Bedeutung die Polizei verlassen, dann wird niemand – nicht einmal du – die leiseste Ahnung haben, wo oder besser gesagt wer ich bin! Ha, ha!«
    »Aber Majestät!« sagte Klapauzius mit Nachdruck, obwohl er kaum mehr als ein Flüstern hervorbrachte. »Ihr setzt euer Leben aufs Spiel, denn ihr kennt die Gefahren des Apparats nicht! Ihr könnt zugrundegehen, stellt euch vor, ihr schlüpft in den Körper eines Todkranken oder eines steckbrieflich gesuchten Verbrechers …«
    »Kein Problem«, sagte der König. »Es genügt, daß ich mir eine Sache fest eingeprägt habe, alter Freund: Nach jedem Persönlichkeitstransfer muß ich die Hörner mitnehmen!!«
    Und er deutete auf den zerbrochenen Schreibtisch, wo der Apparat in einer offenstehenden Schublade lag.
    »Solange ich den Apparat jedesmal der Person vom Kopf reiße, die ich zuvor gerade gewesen bin, und ihn dann immer mit mir nehme, kann mir überhaupt nichts passieren!«
    Klapauzius tat sein Bestes, um dem König den Gedanken an weitere Persönlichkeitstransfers auszureden, jedoch vergeblich; der König machte sich nur über ihn lustig. Schließlich sagte er, offensichtlich in heiterster Stimmung:
    »Davon, daß ich in den Palast zurückkehre, kann keine Rede sein! Falls es dich interessiert, ich sehe eine lange Reise vor mir, eine Wanderung von Körper zu Körper meiner loyalen Untertanen, was nebenbei bemerkt sehr gut zu meiner demokratischen Gesinnung paßt. Und zum Schluß, zum Dessert sozusagen, werde ich in den Körper einer wunderschönen Jungfrau schlüpfen, das müßte doch ein ganz besonders erbauliches Gefühl sein, nicht wahr? Ha, ha!«
    Und mit einer ruckartigen Bewegung seiner riesigen Pranke stieß er die Tür weit auf und brüllte nach seinen Untergebenen. Klapauzius, der sah, daß keine Zeit mehr zu verlieren war, wollte er nicht auf der Stelle ins Gefängnis wandern, schnappte sich ein Tintenfaß vom Schreibtisch, schleuderte es dem König ins Gesicht und nutzte die vorübergehende Blindheit seines Widersachers zu einem kühnen Sprung durchs Fenster auf die Straße. Zum Glück war es nicht allzu hoch, und ein gnädiger Zufall wollte es, daß keine Passanten in der Nähe waren. So gelang es ihm, sich bis zu einem Platz voller Menschen durchzuschlagen und in der Menge unterzutauchen, bevor sämtliche Polizisten der Stadt, die auf die Straßen strömten und mit ihren Pistolen herumfuchtelten, seiner habhaft werden konnten.
    Tief versunken in Gedanken, die alles andere als angenehm waren, entfernte sich Klapauzius vom Hafen. »Am besten wäre es«, dachte er, »den unverbesserlichen Balerion seinem Schicksal zu überlassen und in das Krankenhaus zu gehen, wo Trurls Körper weilt, der die Seele des rechtschaffenen Seemanns in sich aufgenommen hat; wenn man den Körper dann zum Palast brächte, könnte mein Freund wieder er selbst werden, und zwar mit Leib und Seele. Auf diese Weise würde zwar der Seemann anstelle von Balerion König werden, doch damit würde diesem Schuft von einem Monarchen nur Recht geschehen!« Der Plan war gar nicht schlecht, aber leider undurchführbar, weil dazu eine winzige, doch unerläßliche Sache fehlte, nämlich der Transformator mit den Hörnern, der in der Schreibtischschublade des Polizeikommandanten lag. Einen Augenblick lang erwog Klapauzius die Möglichkeit, einen zweiten derartigen Apparat zu konstruieren, doch nein, dazu fehlte es an Material und Werkzeug, vor allem aber an Zeit. »Jetzt habe ich eine Idee!« dachte er. »Ich gehe zu Trurl, der ja König und inzwischen hoffentlich wieder zur Vernunft gekommen ist, und sage ihm, er solle der Armee befehlen, das Polizeirevier im Hafen zu umstellen. Auf diese Weise bekommen wir den Apparat, und Trurl kann endlich wieder in seinen alten Adam schlüpfen.«
    Man wies Klapauzius jedoch am Tor des Palasts zurück, als er dort Einlaß begehrte. Dem König, so erzählten die Wachen, sei von seinen Leibärzten ein schweres elektrostatisches Beruhigungsmittel verabreicht worden, so daß er für die nächsten achtundvierzig Stunden wie ein Toter schlafen werde.
    »Das hat mir gerade noch gefehlt!« stöhnte Klapauzius und eilte zu dem Krankenhaus, in dem sich Trurls Körper befand; er fürchtete nämlich, bei einer vorzeitigen Entlassung des Patienten könnte die sterbliche Hülle seines Freunds im Labyrinth der Großstadt unwiederbringlich verlorengehen. Im Krankenhaus gab er sich als Verwandter des Patienten mit dem

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