Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
Vom Netzwerk:
nicht gewirkt hätte.«
    »Wie bitte?« fragen die Stahlagmiten, doch Trurl hält sich nicht mit Erklärungen auf, sondern fährt fort: »Eine ganz einfache Methode, man braucht nur Papier, Tinte, Stempel, Siegel, Siegelwachs, Heftklammern, Streusand, Löschpapier, einen Schalter mit Fenster, einen Teelöffel aus Zink – den Kaffee haben wir schon – und einen Postboten. Und etwas zum Schreiben, habt ihr das?«
    »Das wird sich finden!« Und schon wird es gebracht.
    Trurl nimmt sich einen Stuhl und diktiert einer mechanisierten Sekretärin: »Betreffs der Mietsache Faszikel der Kammer WZRTSP 7 Schrägstrich 2, Schrägstrich KK, Schrägstrich 405 wird hiermit festgestellt, daß die Weigerung des Beklagten, der Kündigung Folge zu leisten, eine eindeutige Verletzung des Paragraphen 199 darstellt sowie den Tatbestand einer besonders verwerflichen Ordnungswidrigkeit erfüllt, die das Erlöschen sämtlicher Leistungen hic et nunc sowie deren Desummation im Sinne der Verordnung 67/DWFK/389 nach sich zieht. Gegen diesen Beschluß kann der Beklagte innerhalb von 24 Stunden im außerordentlichen Verfahren Berufung beim Vorsitzenden der Kammer einlegen.«
    Trurl setzte einen Stempel darunter, versiegelte das Schreiben, ließ es ins Hauptbuch sowie in die Registratur eintragen und sagte: »Jetzt soll es der Postbote zustellen.«
    Der Postbote nimmt das Schreiben und macht sich auf den Weg; sie warten und warten, und schließlich ist er zurück.
    »Hast du es abgegeben?« fragt Trurl.
    »Jawohl.«
    »Und wo ist der Rückschein?«
    »Hier, in dieser Spalte ist die Unterschrift, und hier ist auch der Brief, in dem Berufung eingelegt wird.«
    Trurl nimmt den Brief, ohne ihn zu lesen, und schreibt quer über den Umschlag: »Zurück an Absender! Kann nicht berücksichtigt werden! Formblätter ungültig!« Darunter setzt er eine völlig unleserliche Unterschrift.
    »Und jetzt«, sagte er, »ans Werk!«
    Er setzt sich und schreibt eifrig, während die Stahlagmiten zuschauen, nichts verstehen und neugierig fragen, was er da eigentlich mache, und was dabei herauskommen solle.
    »Amtsgeschäfte«, sagt Trurl, »und da sie einmal angefangen haben, werden sie auch gut ausgehen.«
    Der Briefträger läuft den ganzen Tag wie ein Besessener hin und her; Trurl stellt richtig, erklärt für nichtig, brütet über Schriftstücken, sucht fieberhaft Gesetzeslücken, die mechanisierte Sekretärin liest die Kartei Kasten für Kasten und hämmert in die Tasten; so entsteht nach und nach ein komplettes Büro mit Eingangsstempeln, Aktenordnern, Heftklammern, Ablagen, Ärmelschonern aus steifem Leinen, Schnellheftern, Aschenbechern, Teelöffeln, Schildern »Zutritt verboten«, Tintenfässern und Federmessern; es gibt immer mehr zu schreiben, das Personal muß länger bleiben, überall sieht man Akten mit Kaffeeflecken an allen Ecken, qualmende Aschenbecher und überquellende Papierkörbe. Die Stahlagmiten werden unruhig, denn sie verstehen nichts mehr, während Trurl virtuos mit gebührenpflichtigen Einschreiben und Nachnahmen hantiert oder seine stärkste Waffe – den Zahlungsbefehl – einsetzt. Er verschickt Unmengen von Mahnungen, Aufforderungen und Verfügungen und richtet auch spezielle Konten ein, auf denen zwar nur Nullen stehen, doch das, sagt er, sei nur vorübergehend. Nach einiger Zeit sieht das Ding da gar nicht mehr so schrecklich und furchteinflößend aus, besonders wenn man es im Profil betrachtet. Kein Zweifel, es ist kleiner geworden! Aber ja, es ist längst nicht mehr so groß wie früher! Und die Stahlagmiten fragen Trurl, wie es weitergehen soll.
    »Nicht stören, Amtsgeschäfte!« gibt er zurück. Er heftet, stempelt, prüft Belege, leitet Schritte in die Wege, streicht pauschal, erklärt für legal, wühlt in alten Dokumenten, nur herein mit dem Petenten, halt, mein Herr, ich bitte sehr, jetzt ist kein Publikumsverkehr, auf Trurls Weste Speisereste, der Kaffee ist schal, kommen Sie ein andermal, überall Spinnweben, in der Schublade ein paar alte Nylons der mechanisierten Sekretärin, Trurl schiebt alles auf die lange Bank, bestellt dreizehn Stühle und einen Schrank, ein Beamter wird bestochen, ein anderer muß Kaffee kochen, Übeltäter kommen hinter Schloß und Riegel, das letzte Schreiben hat sieben Siegel.
    Und die mechanisierte Sekretärin tippt: »Unter Bezugnahme auf das Versäumnis des Beklagten, seine obengenannten Ansprüche (Akt.z. 3AZR 574/81) fristgerecht zu erneuern bzw. neu zu begründen, ergeht gemäß Z.bef.

Weitere Kostenlose Bücher