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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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dort als Schrott herumliegen und keinen Mucks von sich geben.
    Jetzt krempelten sie die Ärmel hoch: »Schließlich«, sagten sie, »wir sind Mechaniker und Mechanisten, von ausgesprochen mechanischer Mentalität, und wir haben eine Maschine, einen Traum von einer Maschine, mit Spannfedern und Zahnrädern, und vollkommen in jeder Beziehung, wie könnte ihr dieses eklige Ding standhalten, das da sitzt und sich nicht rührt?«
    Diesmal konstruierten sie nicht mehr und nicht weniger als eine Kyberberitze-Haubitze. Diese gigantische Giftpflanze sollte sich unauffällig heranschleichen, so als könne sie kein Wässerchen trüben, zwei drei Wurzeln treiben, in Lauerstellung bleiben, von unten still und leise heranwachsen und zum entscheidenden Schlag ausholen; schon hätte die Not ein Ende. Alles kam so, wie sie es vorgesehen hatten, nur mit dem Ende wollte es nicht klappen, und so blieb alles beim alten.
    Sie fielen in Verzweiflung, doch sie wußten nicht einmal, was das ist, weil es ihnen zuvor niemals widerfahren war; sie mobilisierten und analysierten, probierten es mit Netzen, Schlingen, Leimruten und Fangeisen, legten künstliche Sümpfe und wassergefüllte Fallgruben an; vielleicht verstrickt, verfängt und erwürgt es sich, vielleicht versinkt es, vielleicht ertrinkt es – sie versuchen es in diesem und jenem Stil, doch keine Methode führt zum Ziel. Sie zermartern sich das Hirn, doch der rettende Gedanke will nicht kommen. Sie wollen schon alle Hoffnung aufgeben, da erblicken sie plötzlich jemanden am Horizont, er sitzt zu Pferde, doch nein, Pferde haben keine Räder – also offenbar ein Fahrrad, aber ein Fahrrad hat keine Bugspitze, also wohl doch eine Rakete, aber Raketen haben keinen Sattel. Niemand weiß, was für ein Vehikel sich da in rasender Geschwindigkeit nähert, doch jedermann weiß, wer da in untadeliger Haltung im Sattel sitzt, es ist Trurl selbst, der große Konstrukteur, der gerade einen Spaziergang oder eine seiner berühmten Reisen macht; er lächelt heiter, schwebt heran und setzt geschickt zur Landung an – doch selbst als er noch weit entfernt war, spürte man bereits, daß da nicht einfach irgendjemand daherkam.
    Er stellt kurze Fragen, vernimmt ihre Klagen und läßt sich Einzelheiten erzählen: »Wir sind die Stahlagmiten, wir haben eine Maschine, einen Traum von einer Maschine, mit Spannfedern und Zahnrädern, und vollkommen in jeder Beziehung; unsere Atome sammelten wir in eine Terrine und bauten daraus die Wundermaschine, und wir fürchteten nichts auf der Welt weder traditionelle Normen noch kühne Reformen, weder helle Nächte noch finstere Mächte, doch dann kam dieses Ding herbeigeflogen, ließ sich dort nieder und rührt sich nicht.«
    »Habt ihr versucht, es zu verscheuchen?« fragte Trurl mit gütigem Lächeln.
    »Wir versuchten es mit unserer besten Scheuchmaschine, mit einem vollautomatischen Schreckgespenst und einem Megalomechanismus, alle hydraulisch und von großem Kaliber, sie schossen mit Neutronen, Mesonen und Photonen, doch nichts wollte helfen.«
    »Mit Maschinen war also nichts zu machen?«
    »Absolut nichts.«
    »Hm … interessant. Und was ist dieses Ding nun eigentlich?«
    »Das wissen wir nicht. Es war plötzlich da, niemand weiß, was es ist, doch es ist gräßlich, und ganz gleich, unter welchem Blickwinkel man es betrachtet, es wird nur noch gräßlicher. Es flog herbei, ließ sich auf dem höchsten Gipfel nieder, so schwer und massig, daß es nicht zu glauben ist, und nun sitzt es dort und rührt sich nicht. Doch es ist ein Ärgernis und eine wahre Plage.«
    »Eigentlich habe ich nicht viel Zeit«, sagte Trurl. »Ich könnte höchstens ein paar Tage hierbleiben, und zwar als euer Berater. Seid ihr damit einverstanden?«
    Die Stahlagmiten sind es mit Freuden und fragen sogleich, was sie ihm bringen sollen – Photonen, Schrauben, Hämmer, Kanonen, vielleicht Dynamit oder TNT? Und was wünscht der Gast, Kaffee oder Tee? Beides natürlich aus dem Automaten.
    »Kaffee wäre nicht schlecht«, sagt Trurl, »aber nicht für mich, sondern für die Sache, um die es geht. Auf all die anderen Dinge können wir wohl verzichten. Wenn man bedenkt, daß weder die besten Scheuchmaschinen noch vollautomatische Schreckschrauben, ja nicht einmal eine Berberitze-Haubitze etwas ausrichten konnten, dann sind andere Methoden angezeigt, archaische und archivalische, legalistische und somit sadistische. Außerdem habe ich noch nie gehört, daß ein gebührenpflichtiges Einschreiben

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