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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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hatte es gewagt … und war dem Allerschlimmsten begegnet, nur weil er mit dieser Lesbierin schlafen wollte. Mit dieser verdammten Lesbierin, die nichts lieber tat, als ihn mit den sonderbarsten Schmähungen zu überhäufen. Mit feuchten Händen lauschte er den Geräuschen und dem Rumoren der Nacht. Aber die Nacht war merkwürdig still, sogar Jezabels Atem war noch leiser, fast unhörbar geworden.
    »Ich habe mir Illusionen gemacht«, sagte er, »ich habe mich verirrt …«
    Wie er sich auf dieser verdammten Autobahn verirrt hatte. In dieser Stadt gab es für ihn nichts mehr zu tun. Der Traum, in dem er Jezabel an die Tafel schreiben gesehen hatte, hätte ihn warnen müssen. Er hätte begreifen müssen, daß sie sein böser Geist war, daß sie ihn in den Wirbel der Nacht hinausgezogen hatte, um ihn in die Schlucht hinabfallen zu lassen. Doch nun war es zu spät, über sein Schicksal zu klagen. Sein Leben gehörte ihm nicht mehr: es war in den Händen der Planer.
     
    Originaltitel: »Une partie de campagne en l’an 1984«
    Copyright © 1980 by Daniel Walther
    (erstmals erschienen in »MOUVANCE – Science Fiction et Pouvoir«, Nr. 4, »L’espace«)
    Aus dem Französischen übersetzt von Georges Hausemer

 
M. Rammensee
No Future
     
    Helle Marmorplatten mit Schneematsch bedeckt. Viele Füße zertreten die weißen Eiskristalle.
    In unseren Ohren schmerzt das pfeifende Geräusch der sich drehenden Walzen, über denen sich endlos die Ketten der Treppen drehen.
    Nach unten.
    Je weiter wir im Bauch der Erde verschwinden, um so lauter Musikfetzen aus der Tiefe.
    Schon sind einzelne Instrumente zu unterscheiden. Wir spüren das Stakkato von Trommeln.
    »Mensch Georg, das hören wir uns an, scheint nicht schlecht zu sein, was die bringen!«
    Ich lege den Arm um Beates Hüfte. Mit einem raschen Sprung verlassen wir das Ende der rollenden Treppe.
    Stolpern, unsere Füße finden auf dem schwarzen, zu Eisplatten geronnenen Schnee nur schwerlich Halt.
    Die kalten Betonwände sind über und über mit Graffiti bedeckt:
    NACH UNS DIE SINTFLUT. DIE INVASION HAT SCHON STATTGEFUNDEN. FUCK THE WORLD. LANG LEBEN DIE ZOMBIES. ANARCHOPTERYX IN DER STADT. ICH LIEBE MICH DO IT YOURSELF. KEIN BOCK ZU GARNICHTS. ALLE MACHT FÜR NIEMAND. SCHADE DASS BETON NICHT BRENNT. BABYLON IS BURNING. TU NIX TU WAT. NO FUTURE. EINGANG ZUR UNTERWELT! HIER BEGINNT GRÖNLAND …
    Alphabete einer Subkultur.
    Beates klamme Finger fahren die einzelnen Buchstaben nach: »Diese ganzen Sprüche unter dem Titel ›Anarchopteryx‹ sammeln.«
    Ich lache.
    »Ja, vielleicht mit einem wissenschaftlichen Anhang: ›Über den Gebrauch von Treibmitteln in Spraydosen oder die in archaischer Schrift geronnene Atmosphäre.‹«
    Georg tippt sich an die Stirn:
    »Ne, viel einfacher: THE ELECTRIC KOOL-AID ACID TEXT.«
    »Ob das einfacher ist?«
    »Ihr mit eurem Literaturtick.«
    »Ist sowieso die Schrift vor dem Weltuntergang.«
    »Alles Mist!«
    Gert war schon vorausgegangen, steht jetzt vor der Gruppe der Musiker, die laut ihre Texte hinausbrüllen.
    Wortfragmente, deren Echo sich mehrmals in den unterirdischen Gängen bricht.
    Der Gesang schwillt an, füllt die steinernen Hallen mit seinen rollenden, rhythmischen Klängen. Sirenen heulen, geöffnete, brüllende Münder, der schreiende, gequälte Mensch, Nadeln im Fleisch, die Kreatur in der Tiefe.
    Dazwischen das Klirren der Ketten um Hals, Arme und Hüfte der Musiker.
    Höllengesänge, die Gesichter der Frauen: Schwarz geschminkte, verzerrte Fratzen, Masken der Göttinnen am Eingang zur Unterwelt, nicht Schlangen winden sich um die zerzausten Häupter, kein Zischen im Vibrieren der gespaltenen Zungen, silberne Metallbänder hängen in den wirren, grün gefärbten Haarsträhnen, die Glieder verrenkt in einem Tanz epileptischer Zuckungen, der zum Schrei geöffnete Mund, zu Worten erstarrte Eiszeit: »NACH UNS DIE EISZEIT … EIS IM KOPF … EISKALT … ALLES TOD … EISZEIT …«
    Mich fröstelt.
    Aus den Querflöten perlen Töne, fallen wie Wassertropfen von bläulichen Eiszapfen.
    In das Toben der Instrumente mischt sich das Kreischen von Metall, das Beben von Eisenblöcken, das Vibrieren von Beton. Oben auf den Bahngleisen verliert sich das Donnern der Züge in der Ferne.

    Gert späht in das diffuse Licht der Gänge.
    »Da unten soll irgendwo ein Schutzbunker sein. Er wurde gebaut, als sie den Bahnhof über diesem unterirdischen Labyrinth erweiterten. Für den Tag, an dem die Züge für immer im Nichts

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