L wie Liquidator
verschwinden!«
Unsere Schritte hallen durch die Gänge. Rechts öffnet sich die Wand zu einem weiteren Raum.
Die geschliffenen Leuchtkörper unter der Decke werfen ein verwirrendes Wechselspiel von Licht und Schatten auf die rohen Steinwände.
Auf einem Steinblock ein Schild: SCHUTZRAUM, darunter kleingeschrieben: Bahnhofsmission.
DIE VERLORENE HERDE DER SCHAFE IN DER FINSTERNIS, an die Wand geklebte Zitate: »DER HERR IST MIT UNS! ER SIEHT EINEN JEDEN. SELIG SIND DIE FRIEDFERTIGEN …«
»So’n Quatsch, denn ihrer harrt der Knüppel, haben wir ja auf der letzten Demo gesehen, passiver Widerstand und wir sind die Arschlöcher dabei …«
Gert tritt mit dem Fuß gegen eine leere Bierdose, daß sie über den Beton klappert.
»Ich kenn ’nen Typen, der da drin arbeitet.
Soviel ich weiß, wird der Bunker bis zum Tag X als Unterkunft für die Stadtstreicher benutzt.«
Beate zieht mich an der Hand weiter.
Vor uns eine Glastür, rechts und links davon schwere Metallschotten, die tief in die Mauern hineinreichen.
Beate drückt die Klinke nach unten, drinnen ertönt ein Klingelsignal. Zuerst sehen wir den bärtigen Mann gar nicht, der rechts aus einem Zimmer tritt.
»Weißt du, ob Michael noch hier arbeitet?«
Der Mann nickt.
»Kommt mal mit!«
Um mehrere Ecken gehen wir immer tiefer in das Bunkerlabyrinth hinein. Aus einem Raum am Ende des Gangs dringt gedämpftes Stimmengemurmel.
Die paar Personen an den langen Tischen wirken, mitten in diesem gewaltigen Raum, eng zusammengerückt sitzend, verloren. Beate geht auf einen langhaarigen Typ zu, der, den Kopf mit dem rötlichen Bart in die Hände gestützt am Tisch sitzt.
Wir treten näher, er blickt auf und lächelte: »Mensch Beate, ist ja irre, daß du mich besuchst. Mal ’ne Abwechslung hier unten.«
Die Blicke der schmutzig wirkenden Männer am Tisch wandern über den Körper von Beate.
Einer pfeift durch die Zähne: »Na Puppe, setz dich zu uns an den Tisch!«
Beate tippt sich an die Stirn.
»Hört auf so blöd zu glotzen! Nicht mit mir!«
Michael steht auf und geht hinüber zu einem kleinen Elektroherd, der in einer Ecke neben Spültisch und Kühlschrank steht. »Ich mach euch ’nen Kaffee. Setzt euch! Platz gibt’s ja genug.«
Wir lassen uns auf den grauen Plastikbänken nieder.
»Ich bin der Bernd«, sagte der Beate am Nächsten sitzende Stadtstreicher.
»Den da drüben nennen wir den Whiskeypaule, hat fast immer ’ne Bombe bei sich.«
Mit seinem zerfurchten Gesicht, dessen Falten Sterne um die Augen bilden, scheint es, als ob Bernd unentwegt lache.
»Bin früher jahrelang zur See gefahren, jetzt also hier unter Tage. Willkommen im Reservat der Berber.«
»Jetzt kommt gleich seine Story von den Scheiß-Weibern, die ihm alles kaputt gemacht haben.«
»Müßt ihr aufpassen, der drückt immer auf die Tränendrüse.«
»Halt die Schnauze! Geht dich ’nen Dreck an!«
»Arschloch!«
Michael haut seine Tasse auf den Tisch.
»Hört auf mit der dämlichen Quatscherei oder geht das schon wieder los!«
Der Duft des Kaffees breitet sich aus, in eigenartigem Kontrast zur sterilen Luft aus der Klimaanlage.
Michael gießt uns den dampfenden Kaffee in die Tassen.
»Ich mach die Arbeit hier jetzt schon fast ein Jahr, die haben hier unten eine Ersatzdienststelle frei gehabt. In den Keller geht doch sonst niemand freiwillig runter.«
Gert nickt. »Kann ich mir vorstellen, die trockene Luft, nicht gerade das Beste für die Nasenschleimhäute. Und den ganzen Tag dieses Neonlicht. Brrrrr …«
Er schüttelt sich.
»Da mach ich ja noch lieber Führungen in einer Tropfsteinhöhle.«
Whiskeypaule bietet Beate einen Schluck aus seiner Pulle an. »Da Mädchen, nimm ’nen Schluck, war ja vorhin nicht so gemeint.«
Michael droht ihm mit dem Zeigefinger.
»Ihr könnt draußen machen, was ihr wollt, aber hier unten wird nicht gesoffen, klar!«
»Leck mich am Arsch!«
Whiskeypaule steht auf und steht schwankend.
»Hol ich mir halt meine Fahrkarte wo anders. Steht mir doch zu.«
Michael schüttelt den Kopf.
»Sagt er jedesmal. Am nächsten Tag ist er wieder da. Eine Fahrkarte bekommt er sowieso nur von mir.«
Ich versuche aufzustehen, was bei der Länge der Bank gar nicht so einfach ist. Einer, der sich die langen grauen Haare zu einem Zopf zusammengebunden hat, zieht eine alte abgegriffene Mundharmonika aus der Tasche, beginnt »Sag mir, wo die Blumen sind« zu spielen.
»Gib mir meine Mundharmonika wieder!« sagt Whiskeypaule und streckt die
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