L wie Liquidator
Generatoren, als schüttelten sich tief in der Erde Ungeheuer der Vorzeit.
In das Tosen der Maschinen mischt sich ein Zischen und Pfeifen.
Mit lautem Knall schließen sich die Schotten.
Oben beginnen die Signalanlagen verrückt zu spielen, springen immer wieder auf Freie Fahrt, verschwinden die ersten Züge in der brennenden Stille der Unendlichkeit.
Tief dringen die Wurzeln des Baums der Zerstörung in das Erdreich, steht die strahlende Krone am tosenden Feuerfirmament. Dann der blitzschnelle Flammensturm, ein Hammer aus heißer Luft, ihr explosionsartiges Verbrennen, der Donner, Finale des Untergangs.
Langsam beginnt der lautlose Tod zur Erde zu sinken. Leise fällt der Staub.
DER MORGEN: Nicht der Wind erzeugt die kleinen Staubfahnen, die kurz emporgewirbelt, sich innerhalb von Sekunden wieder legen, eine neue Falte im Teppich des Schweigens bilden. Eine Metallplatte verschwindet im Boden, gibt den Blick in die Tiefe frei.
Glitzernd und funkelnd schiebt sich der helle Metallstab in die Höhe, an dessen Spitze ein kleines Filtersegel sitzt, in dem sich der Staub aus der Luft fängt.
Kurz bevor sich der Meßfühler wieder in die Erde zurückzieht, nimmt ein Bohrer, der seitlich aus dem Fühlerkopf ragt, eine kleine Bodenprobe aus dem Erdreich.
Die Metallplatte schließt sich.
Noch einige Zeit später, der Wind treibt Staubfahnen gleich tanzenden Derwischen durch die gespenstisch verdrehten Gittergeflechte der ehemaligen Eisenbahnschienen, verschwindet das Erdreich an einer Stelle zwischen den ehemals gepflasterten Bahnsteigen, jetzt nur mehr zerkratzte Hinweisschilder nach Nirgendwo.
Hände wischen über den Staub, hinterlassen menschliche Zeichen auf der Suche nach Halt.
Weißen Maden gleich quellen die Körper ans Tageslicht. Nicht weit von der Erdspalte entfernt, werfen sie sich in den Staub.
Es sind nur ein paar Menschen.
Mit den Hüten und weiten Mänteln flattern sie wie aufgescheuchte Krähen durch die Stämme des Eisenwaldes, in dessen Metallgewirr die Stimme des Windes wimmert.
So schnell, wie sie im Tageslicht erschienen, verschwinden sie an anderer Stelle wieder unter der Erde.
Bald werden sie fündig.
Auf den vormals hellen Marmorplatten stehen Dosen und Flaschen. Einer zieht eine Whiskeypulle unter dem Mantel hervor und lallt: »Whiskeypaule sitzt nie auf dem Trockenen, war früher mal Seemann, das macht immer noch durstig …«
Das aufflammende Streichholz wirft huschende schwarze Schatten an die Wand. Im erlöschenden Flakkern des Streichholzes werden rote Flecken und Buchstaben auf dem geschwärzten Beton sichtbar.
»NO FUTURE!« liest er. Das Lallen seiner Stimme geht in ein heiseres Kichern über.
In den Gängen zwischen den geborstenen Wänden verliert sich das Kichern und das klagende Lied einer alten abgegriffenen Mundharmonika.
Copyright © 1987 by M. Rammensee
Illustriert von Klaus D. Schiemann
James Patrick Kelly
Ratte
Ratte hatte den Staub in vier Plastikkapseln gestopft, die er verschluckt hatte. Wegen der Stiche in der Gegend seiner Rippenansätze vermutete er, daß sie soeben in sein Duodenum gepreßt wurden. Ihm blieb noch genügend Zeit.
Die Projektilbahn schoß jetzt schon seit fast zwei Stunden durch das Vakuum des Trans-Atlantik-Tunnels; sie würden bald in Port Authority/Koch ankommen. Dem Marechal zufolge waren die Gebühren schon entrichtet. Alles, was Ratte noch zu tun blieb, war, in sein Nest zurückzugelangen, die intelligente Tür hinter sich schließen und die Neuigkeit in seine gesicherten Nachrichtennetze hinauszugeben. Er besaß genug Algerisches Gold, um mindestens die Hälfte der Hirne der East Side zu bestäuben. Wenn es ihm gelang, diesen Deal zu landen, würde er reich genug sein, um in Dom Perignon baden und sich mit Gromaire-Teppichen abtrocknen zu können. Ein neuerlicher Stich ging durch seine linke Bauchseite. Sein Hinterbein zuckte instinktiv vom Sitz hoch und durch die Luft.
Es stellte sich nur ein Problem: Ratte hatte beschlossen, den Marechal auszuschmieren. Und das bedeutete, daß er die Spionin des alten Mannes loswerden mußte, bevor er zu Hause ankam.
Die Spionin hatte sich in Marseille an ihn herangemacht. Sie flocht ihre blonden Haare in lauter Rattenschwänzchen. Sie hatte Sommersprossen und trug Zahnspangen. Ihre winzigen Brüste stippten in einem billigen kunstseidenen Rollkragenpullover. Sie wirkte wie eine Zwölf- bis vierzehnjährige. Schlau. Wahrscheinlich sah sie schon seit zwanzig Jahren so aus und
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