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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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einem Menschen oder einer Maschine?« Eine Weile Schweigen. Dann wieder zwei Worte, ausgesprochen in dem gleichen Tonfall wie vorher.
    »Verstehe nicht.«
    »Sind Sie ein Mensch? Genau wie ich?«
    »Nein.«
    Er wußte, daß die Antwort so ausfallen würde, und dennoch …
    Er sank schwer in den Sessel zurück. Er fühlte den Schmerz in den Schläfen.
    »Wie seht ihr aus? Zeigt euch!« hörte er hinter sich die Stimme Helias.
    Sie stand in der Tür und blickte voller Angst auf den toten Bildschirm.
    »Kann man euch sehen? Zeigt euch!«
    Wieder Stille. Anscheinend befand sich der Gesprächspartner in einer Entfernung von mehreren hundert Kilometern, wahrscheinlich auf Erde oder Mond.
    »Wen?« lautete die überraschende Frage.
    »Na, Sie doch! Wir wollen Sie sehen!«
    »Das ist nicht erlaubt«, kam die Antwort nach einigen Sekunden.
    »Warum wollen Sie uns nicht zeigen, wie Sie aussehen? Wer erlaubt es Ihnen nicht? Haben Sie Angst vor uns? Fürchten Sie, uns mit Ihrem Aussehen zu erschrecken? Keine Angst, wir sind einiges gewohnt! Wir fürchten uns nicht vor der Wahrheit!«
    Voller Spannung warteten sie auf die Reaktion.
    »Zeigt den Gedanken …«, bekamen sie endlich als Antwort zu hören. Was verbarg sich hinter diesen Worten? Sollte das eine Metapher sein? Helia gab sich noch nicht geschlagen.
    »Sie sind doch irgendwo? Handelt es sich um eine Struktur, in der die Impulse umlaufen? … Zeigen Sie uns diese Struktur, zumindest die äußere physische Gestalt, in der sie steckt.«
    Längere Zeit verstrich.
    »Bruchstücke!« Nur dieses eine Wort drang aus dem Lautsprecher. Gleichzeitig erschien auf dem Bildschirm ein Mosaik gelber und schwarzer Flecken.
    Das Bild begann zu verschwimmen.
    Die Kamera erfaßte immer weitere Gesichtsfelder. Die Ausmaße der Flecken und die Entfernungen zwischen ihnen verringerten sich sehr rasch, schließlich verschmolzen die gelben und die schwarzen Punkte zu einer einheitlichen glatten Fläche, die einen blauen Farbton annahm. Diese Fläche begann sich zu erweitern und Kugelform anzunehmen. Sie erblickten ein birnenförmiges Gebilde, ein zweites, drittes, zehntes … Manche dieser Gebilde sahen aus, als schwebten sie aufgehängt in der Luft, andere stützten sich auf lange, zu einer Spirale gebogenen Stäben.
    »Gibt es noch Menschen auf der Erde?« fragte Rost verzweifelt.
    »Ja.«
    »Wir wollen sie sehen!«
    »Ihr werdet sie auf der Erde sehen.«
    »Nein, zeigt sie uns jetzt! Hier auf dem Bildschirm!«
    Das Bild flackerte und verschwand. Das Grün eines Palmenparadieses füllte den Bildschirm aus. In dieser Natur, im Sonnenglanz gebadet, ruhten auf einer künstlichen kugelförmigen Erhebung unter einer durchsichtigen Kugel zwei menschliche Wesen.
    Es waren mit Sicherheit ein Mann und eine Frau. Obwohl sehr harmonisch gebaut, beleidigten sie den ästhetischen Geschmack durch die Ähnlichkeit in den anatomischen Proportionen: der Mann war etwas zu weiblich, die Frau zu männlich; ungewöhnlich üppiges Haar, bei beiden auf die gleiche Art und Weise frisiert, wie zwei flache Kugeln rechts und links des Schädels, verwischten die Unterschiede noch weiter. Winzige magere Gesichter mit dunkler Haut, wulstige Lippen und stark hervortretende Backenknochen spiegelten die Verschmelzung aller vor Jahrhunderten existierenden Rassen zu einer.
    Im ersten Augenblick kamen sie Rost ganz nackt vor, doch als er Helia darauf aufmerksam machte, verneinte sie das und meinte, daß sie deutlich eng anliegende silberschimmernde Kleider sähe. Beim weiteren Anstarren des Bildschirms begann er wirklich so etwas wie die Umrisse von Kleidern zu sehen, doch schienen sie ihm eher eine dünne Schicht aus milchigem Nebel zu sein, der den Körper bedeckte, als ein metallischer Kunststoff. Anfänglich maßen sie diesem Umstand allerdings kein großes Gewicht bei, waren sie doch mit allem beschäftigt, was sich auf dem Bildschirm abspielte.
    Der Mann und die Frau lagen mit halbgeschlossenen Augen da. Sie schienen an diesem heißen Tag in der paradiesischen Natur, die für sie wie geschaffen war, damit sie so, ohne die Umwelt wahrzunehmen, vergessen konnten, sorglos zu schlummern.
    »Ob diese Menschen … leben?« fragte Helia voller Bangen.
    Rost verspürte einen unangenehmen Krampf in der Kehle.
    »Glaubst du, daß sie …«, flüsterte er und brach ab.
    Der Mann bewegte sich. Rost bemerkte, wie er die Hand auf den Arm der Frau legte, dann streifte er die Innenfläche der Umhüllung und hob den Kopf. Seine Augen waren

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