Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
aber weiterhin geschlossen, und sein Gesicht war gleichgültig, ohne jeden Ausdruck. Helia ging einige Schritte bis zum Bildschirm vor, trat aber dann zurück und setzte sich neben Rost auf die Stuhllehne.
    »Können wir mit ihnen reden?« fragte sie und verbarg nur mit Mühe ihre Unruhe.
    Wieder nur ein Wort als Antwort:
    »Redet!«
    Rost drückte nervös Helias Hand.
    »Warum lügen sie? Weshalb widerspricht er sich selbst?« zischte er durch die Zähne. »Vor kurzem hat er noch etwas anderes gesagt.«
    »Zeigt die Städte!« warf Helia mit Nachdruck ein.
    Das Bild verschwamm und verschwand. Anstelle des Palmenhains erschienen breite, gerade Straßen. Aber waren es Straßen? Schwer zu sagen. Bürgersteige oder Menschen waren nirgends zu sehen.
    Die Maschinen herrschten hier uneingeschränkt. Durch die hohen, turmähnlichen Bauten in einfacher strenger Architektur fuhren in allen Richtungen Hunderte von Fahrzeugen. Oft flogen sie durch die Luft, gleichsam übereinander springend. Manche wichen ab und verschwanden im Innern von Tunnels tief unter der Erde.
    Fahrzeuge und Häuser hatten weder Türen noch Fenster. Ihre Wände waren milchweiß, für das menschliche Auge undurchdringlich.
    Rost senkte den Kopf immer tiefer und tiefer.
    »Nein! Nein! Genug!«
    Er fühlte die weiche Berührung der Finger Helias auf den Haaren.
    »Beruhige dich … Noch wissen wir nichts.«
    »Was wissen wir nicht?! Genügt dir das nicht?« er wies auf den wieder unbeweglichen Bildschirm. »Was haben sie mit den Menschen gemacht? Oder eher, was haben die Menschen mit der Menschheit gemacht?!«
    »Also, du vermutest …«
    »Kann man hier überhaupt irgendwelche Illusionen haben?«
    »Diese beiden waren doch Menschen!«
    »Menschen? Kann man gedankenlose Wesen, die unter Glas in Museen oder Zoologischen Gärten vegetieren, Menschen nennen?«
    »Du ziehst deine Schlüsse allzu übereilt. Erinnerst du dich, wie dieser Mensch vorhin die Hand erhoben hat? Ich bin überzeugt, daß seine Finger dieses vermeintliche Glas durchdrungen haben.«
    »So ist es dir vorgekommen! Ja, so wie diese silberne Kleidung …«
    »Ich habe ihn nicht gesehen!«
    »Nicht gesehen? Ist es möglich, daß zwei Personen, die gleichzeitig denselben Bildschirm beobachten, jede etwas anderes sieht?«
    »Da hast du den Beweis!« warf er mit bitterem Triumph ein. »Sie versuchen, uns irrezuführen! Es ist alles eine Fiktion! Diese Menschen … diese Natur … Ich habe keine Illusionen mehr, daß die Herren über die Erde, bestimmt auch über das ganze Sonnensystem, keine künstlichen Wesen sind! … Ich bin sicher, daß diese Wesen dem Menschen überlegen sind und ihn sich unterworfen haben. Willst du nicht verstehen, daß diese Städte kein Produkt menschlicher Zivilisation und Kultur sind? Daß es sich um eine Zivilisation von Robotern handelt?!«
    »Was du nicht sagst!«
    »Kannst du noch daran zweifeln? Erinnerst du dich? ›Eine übermäßige Organisation des Lebens unter den Bedingungen der Vollautomatisierung muß einen Zustand der Unterordnung des Menschen unter die Maschine herbeiführen?‹ Das waren prophetische Worte. Die Automaten produzierten nicht nur für Menschen. Die Automaten begannen auch, für Menschen zu denken. Nicht dem Menschen dienten sie, sondern einer unpersönlichen staatlichen Struktur, in der Menschen und Automaten sich zusammenfügten, zu einem gesellschaftlichen Organismus verschmolzen, immer enger, immer vollständiger …«
    »Das ist unmöglich.«
    »Möglich! Durchaus möglich! Sowohl die Individuen als auch ganze Gesellschaften machten sich immer mehr von diesen Maschinen abhängig, und sie verwandelten die Welt so, damit sie zu einer Welt wird, in der sie ihre Funktionen am besten erfüllen. Sie schufen die Welt für sich! Nicht für den Menschen! Die Erben der Menschheit! Und nun sehen wir das Ergebnis …«
    »Du bist verrückt. Wir wissen noch nichts Sicheres!«
    »Ich bin verrückt?! Jene, die die Menschheit in die Vernichtung trieben, waren verrückt!«
    Mit Mühe holte er Luft.
    »Ich weiß nicht«, sagte er, schon ruhiger, nach einer Weile im Ton düsterer Resignation. »War es vielleicht unvermeidlich? Gab es keinen anderen Ausweg? Vielleicht sollte es gerade so sein, daß diese künstlichen Geschöpfe des Menschen unsere legitimen Erben sind?«
    Er umklammerte die Stuhllehne mit den Händen. Das Blut pulsierte in seinen Schläfen, und der Schädel schien zu zerspringen ob der Schmerzen, die seine Gedanken störten. Vor ihm

Weitere Kostenlose Bücher