L wie Liquidator
mit den anderen nichts anzufangen war, wandte sie sich schließlich doch an mich.
»Da ist was zwischen uns und dem anderen Ufer.«
»Wie stellen Sie das fest?«
»Die Meßgeräte zeigen nichts an, aber ich spür es.«
»Ist das eine zulässige Methode? Ich dachte immer, die Semantik sei eine exakte Wissenschaft.«
»Die Meßergebnisse passen nicht zusammen, die Daten geben keinen rechten Sinn. Das ist auch ein Ergebnis, wenn auch ein mehrdeutiges. Ich kann bloß sagen: da geht etwas vor sich.«
»Die Wissenschaft versagt«, grinste ich fröhlich, »aber das wird Sie ja nicht wundern.«
Zum erstenmal lächelten wir synchron. »Und nun?« sagte sie dann.
Jetzt war es an mir, die Achseln zu zucken. »Wir gehen zurück und sagen dem Major, daß er auf der Seife steht«, schlug ich vor.
Das taten wir auch. Im Basislager waren in der Zwischenzeit die Waffen blankpoliert worden. »Wollen Sie Atomgranaten verschießen?« fragte ich Clegg.
Er sah mich an. »Warum nicht?«
»Wir kennen den Gegner nicht mal«, sagte ich, »oder haben Sie ihn mittlerweile gesehen?«
So ganz wohl fühlte sich Clegg auch nicht in seiner Haut. »Haben Sie wieder einen Vorschlag?« sagte er.
Ich zuckte die Schultern. »Wir waren am Fluß, aber wir haben nichts Neues gesehen. Die Peddycarry meinte, es wäre etwas da, das die Meßergebnisse beeinflußt, konnte aber nichts Konkretes sagen. Ich weiß nicht mal, wo sie die Idee her hat. Ich hab selber nichts mitgekriegt als ein unangenehmes Gefühl, als würde ich von irgendwoher beobachtet. Was machen die Meßgeräte?«
»Einen Teil haben wir hingekriegt. Die beiden anderen Physiker bleiben dabei, ihre Darstellung der Ionosphäre sei richtig. Das impliziert, daß jemand auf unsere EMP-Granate mit einer eigenen geantwortet hat.«
Das gab’s ja wohl nicht. Ich glaubte immer noch, daß wir unseren eigenen Impuls abgekriegt hatten, aber das war nicht möglich, wenn die Schalenberechnung stimmte. Aber was nützt Theorie, wenn die Praxis anders läuft?
»Was schließen Sie daraus?«
»Ich bin nur ein Soldat«, sagte Clegg böse, »ich muß die Folgerungen Ihnen überlassen.«
»Wenn Sie mich damit direkt ansprechen: mir fehlt der Durchblick. Aber es ist gefährlich, einfach draufloszuballern, und illegal ist es auch. Ich weiß, daß man sich in der Praxis nicht drum kümmern wird, wie wir hier vorgehen, aber die Sache könnte auf uns zurückfallen.«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
»Warten wir weiter ab.«
»Abwarten! Worauf warten? Es wird nichts geschehen, wenn wir nichts tun. Ich ziehe es vor, die Aktionen zu bestimmen.«
»Setzen wir über den Fluß und sehen uns drüben um.«
»Wir waren doch schon drüben. Es war nichts zu finden und niemand zu sehen. Alles Savanne, wie hier.«
»Gehen wir noch mal.«
Clegg schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er sehr bestimmt, »wir machen mal da drüben ein größeres Loch in die Landschaft, und dann sehen wir weiter.«
Militärschädel, dachte ich. Sturkopf, saublöder. Ich sagte es aber nicht, und ich mußte es ja auch nicht sagen, der Major wußte sehr gut, wie ich über ihn dachte.
Nachmittags machten sie die Artillerieeinheit fertig, ein Japaner, Oshi, saß an dem Gerät, das wie ein überdimensioniertes elektronisches Spielzeug aussah; was er zu tun hatte, war, eine Menge Knöpfe zu drücken und ein Fadenkreuz über die Zielanzeige im Monitor zu dirigieren; ich habe nie ganz verstanden, warum man dazu Spezialisten brauchte, aber die Artilleristen hielten sich für etwas ganz Besonderes, wie alle anderen Spezialeinheiten allerdings auch.
Wir standen im Halbkreis hinter dem Gerät und sahen zu; es gab keinen Detonationsknall mehr, weil die Granate durch ein extremes Magnetfeld auf die Reise geschickt wurde, und auch sonst keine Gefahren im Abschußbereich (außer daß er natürlich Zielgebiet für einen potentiellen Gegner war, aber ich hatte den Eindruck, daß niemand von den Anwesenden wirklich glaubte, auf der anderen Seite sei etwas oder jemand, das oder der unserer Artillerie etwas entgegenzusetzen hätte).
Oshi saß klein und dunkel mit dem Lächeln eines gut erzogenen Kindes in dem Schalensitz und spielte auf der Tastatur der Maschine mit der Eleganz eines Pianisten. Für irgend jemand würde diese Fingerfolge allerdings das Lied vom Tod bedeuten. Er war Linkshänder. Die Sonne blitzte in seinen Brillengläsern. Aus irgendeinem Grund mußte ich an die alten Filme von Kamikaze-Einsätzen denken, vielleicht auch
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