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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Drücker.
    Draußen zieht die Morgendämmerung herauf. Früher Sonntagmorgen. Die Hälfte bis nach Hause wäre geschafft, aber die sind hinter mir her. Bloß, ich kann sie nicht sehen. Nur die Lichtpunkte ihrer 2.3er, wenn die Geschoßgarben über die Höhlenöffnung streichen. Und die Positionen verschieben sich.
    Ich drücke ab. Die Geschosse spritzen in einem steten Strom hinaus. Kein Rückstoß spürbar. Nur die Kanone wird allmählich etwas wärmer. Ich schieße, ohne zu zielen, ballere einfach nur so auf die Bäume los. Vielleicht treffe ich was dabei, aber mir liegt nicht viel daran.
    Mein Feuer hat Stancato seine Chance geboten. Er kann nachladen. Dazu gleitet er dicht am Boden ein Stück weit in den Hintergrund der Höhle, zerrt das Magazin aus dem Gurt und schiebt es ganz ruhig in die Schiene. Keine Hektik, kein Herumgefummele. Keine Fehler. Sekunden später ist er wieder neben mir, und wir bestreichen gemeinsam weiter die Bäume.
    Jemand schreit. »Wir haben einen erwischt«, sage ich und höre auf zu schießen.
    »Vielleicht wollen die bloß, daß wir das glauben«, sagt Stancato. »Damit wir rauskommen. Die können nicht zu uns rein, aber die wissen auch, daß wir hier in der Falle festsitzen.«
    Festsitzen. In der Falle. Ja. Das werde ich nicht vergessen. Wir sitzen in der Falle. Der Wanst, unser großer Kriegsveteran, unser furchtloser Freund und Kamerad, hat uns in eine Falle reinmanövriert, in der wir vielleicht gekillt werden. Ich koche vor Wut. Stancato schießt allein weiter.
    Da fällt mir auf, daß der Wanst ja gar nicht bei uns in der Höhle ist.
    »Wo ist der denn?« frage ich Stancato. Ich weiß nicht, wie der Wanst mit Namen heißt. Komisch. Ich hatte gedacht, daß ich es wüßte. Stancato scheint ihn zu kennen.
    Er antwortet nicht. Auch er hat jetzt das Feuer eingestellt. Er lauert darauf, daß sich irgendwo was bewegt.
    Stumm warten wir so, gute fünf Minuten lang. Wir hoffen, daß die aus der Deckung kommen, um festzustellen, ob wir tot sind. Aber die fallen darauf nicht rein. Statt dessen spielen sie Klavier mit ihren Kugeln auf dem Felsen, immer und immer wieder, und die Geschosse heulen uns um die Ohren. Schließlich schleudert einer in hohem Bogen eine Handgranate zu uns herüber. Jetzt müssen wir aus der Deckung raus. Und während ich noch dumm glotze, packt sich Stancato das Ding und schmettert es zurück, genau dorthin, woher es kam. Er ist Werfer im Softballteam im Büro, unser Stancato. Selbstverständlich ein guter Werfer. Ein sehr guter.
    Die Granate explodiert und schleudert Fetzen Wald und Dreck in die Luft. Fast gleichzeitig fängt einer von der Flanke her zu schießen an. Schreie. Wir haben einen erwischt.
    Hinter einem Felsblock kommt ein Concom hervorgewankt. Aus einem faustgroßen Loch in seiner Brust pulsiert Blut. Er schafft einen halben Meter, bevor ihn das Feuer von der Flanke her niedermäht. Erbarmungslos auf ihn einhämmert, während er zusammensackt und dann zuckend auf dem Boden liegt. Ich schaue mit einer perversen Fasziniertheit zu, wie der da brüllt und mit den Fingern in die Luft krallt und stirbt. Ein kleiner dürrer schwarzhäutiger Mann. Er stirbt qualvoll. Ich schäme mich, als ich merke, daß ich einen Steifen habe. Oh, mein Gott! Ich bin ein perverses Schwein! Genauso ekelhaft wie die da!
    Der Wanst kommt von der Seite herangewackelt. Gewehr unterm Arm. »Alles sauber«, ruft er. »Wir haben sie alle erwischt.«
    Stancato steht auf und geht zu ihm hin. »Wieviele waren es denn?«
    »Acht«, sagt der Wanst und lacht. »Acht Killpunkte bisher. Und wie sieht’s bei uns aus?«
    Ich trete aus der Höhle, der blutverschmierten Höhle. Stancato und der Wanst schauen mich an, während ich auf sie zugehe. Wortlos. Ich bin die Antwort auf das, was der Wanst gefragt hat.
    »Scheiße!« Mehr sagt er nicht. Er hat gehofft, daß ich krepiert wäre. Genau wie Stancato es sich gewünscht hätte. Ich bin ein Feigling, ein krankhafter, perverser Feigling, sie können mich überhaupt nicht brauchen. Und die besseren Jungs sind gefallen. Das ist es, was der Wanst jetzt denkt.
    »Wie …?« stammle ich. Ich kann kaum klar denken.
    »Ich hatte Wachablösung«, sagt der Wanst. »Sie haben auf uns beide geschossen. Ihn haben sie erwischt, aber ich bin ziemlich pronto zu Boden gegangen und hab mich ins Gebüsch verzogen. Und da war dein Kumpel da bereits auf und hat sie unter Beschuß genommen, also konnten sie nicht alle hinter mir her, ging ja wohl nicht.« Er grinst.

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