L.A. Woman
„Zumindest würde ich ihm das schwer raten. Denn wenn nicht, kann er gleich wieder abziehen.“
Sie wandte sich ehrlich überrascht um. „Wirklich? Meinst du das Ernst?“
Er lächelte sie nachsichtig an. „Süße, das weißt du doch. Ich meine, unglaublicher Sex ist unglaublicher Sex, aber die Frage ist schließlich, mit wem man gerne alt werden möchte, mit seiner besten Freundin oder mit einem phänomenalen Liebhaber?“
Sie strahlte. „Das ist der Grund, warum ich dich so liebe.“
„Ha.“ Er verdrehte die Augen und zwinkerte ihr zu. „Ich dachte, du liebst mich, weil …“
„Ich behalte das Baby.“
Er bremste. „Wie bitte?“
Sie holte tief Luft. „Ich habe beschlossen, das Baby zu behalten.“
Ein Schweigen entstand, und Martika hätte sich am liebsten im Sitz verkrochen und das Gesicht hinter den Händen versteckt. Zwar wusste sie, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, aber …
„Verstehe.“ Er schien nach Worten zu suchen, was sehr untypisch für Taylor war.
Sie wartete noch eine Minute und fragte dann: „Du findest die Idee richtig dumm, nicht wahr?“
Er antwortete nicht, er fuhr einfach weiter. Langsam wurde sie wütend. Sie wusste, dass das reiner Selbstschutz war, und, hey, sie hatte es doch gar nicht nötig, sich zu schützen. „Ich glaube, ich werde eine super Mutter sein.“
„Ist das der Grund, warum du es behalten willst?“
Martika betrachtete ihn, um herauszufinden, ob er mal wieder schnippisch und selbstgerecht war. Doch das war er nicht. Er sah so gleichmütig vor sich hin, wie es bei seinem ausdrucksstarken Gesicht überhaupt nur möglich war.
„Ich habe einen guten Grund“, sagte sie leise und atmete tief ein. „Ich weiß, es klingt wie eine dumme Idee, für
dich
zumindest, aber ich … ich meine … ich habe tonnenweise Gründe für diese Entscheidung.
Tonnenweise
!“
„Nenne mir einen, Tika.“
„Okay“, schnappte sie. Und zögerte.
Weil ich immer Mutter sein wollte.
Nein, das klang zu weinerlich.
Weil ich nicht ertragen könnte, es zu verlieren. Weil ich endlich die Chance habe, jemanden wirklich zu lieben, und vielleicht endlich jemanden gefunden habe, der mich wirklich lieben wird. Weil mein Leben erst jetzt einen Sinn ergibt.
„Weil es diesmal nicht um mich geht“, sagte sie sanft. „Diesmal geht es nur um das Baby.“
Er antwortete nicht, sondern fuhr auf den Seitenstreifen und stellte den Motor ab. Er lächelte. „Diese Art von Neuigkeiten schreit nach einer anständigen Umarmung“, sagte er und beugte sich über den Schalthebel, nahm sie in die Arme und erdrückte sie fast.
„Du wirst Patenonkel, weißt du“, murmelte sie gegen seine Schulter gepresst.
„Wäre ja auch noch schöner wenn nicht.“
Zwei Tage später saß Sarah verzweifelt auf der weichen weiß-grünen Couch in einer Buchhandlung im West Side Pavillon. Martika war nicht mehr ins Apartment zurückgekommen, wahrscheinlich übernachtete sie bei Taylor oder besorgte sich einen neuen Liebhaber, bei dem sie einziehen konnte. Sarah hatte die Zeitarbeitsagentur Fugit angerufen, hatte dann aber keine Lust, diese Woche wirklich zu arbeiten, vor allem, als sie hörte, sie sollte wieder in Jeremys Firma eingesetzt werden. Und sie hatte Kit kein einziges Mal mehr gesehen … Nein, sie wollte über diesen dummen Fehler nicht länger nachdenken. Verzweifelt nippte sie an ihrem Espresso.
Ich stehe wieder ganz am Anfang. Keine Mitbewohnerin, keine Ahnung, wie ich die Miete bezahlen soll, kein richtiger Job, kaum Freunde, keinen Plan.
Wie erbärmlich konnte es einem Mädchen in L.A. eigentlich ergehen … Sie betrachtete die Bücher, die sie ausgewählt hatte, und stellte fest, dass sie keines von ihnen wollte, außerdem musste sie ab sofort sowieso mehr auf ihr Geld achten.
Verdammt. Sie hatte geglaubt, die Antwort gefunden zu haben, endlich zu wissen, was sie tun wollte. Zugegeben, es war zwar nicht gerade ein brillanter Lebensplan gewesen, aber immerhin überhaupt einer. Jetzt hatte ihr das Schicksal jedoch wieder eine ordentliche Ohrfeige verpasst.
Und was willst du jetzt machen?
Sie wünschte, der Streit mit Tika hätte nie stattgefunden. Sie wünschte, sie wäre nicht gefeuert worden. Sie wünschte …
„Sarah?“
Sie sah auf.
Sie wünschte, dass es nicht Benjamin wäre, der sie angesprochen hatte.
Er sah aus wie immer. Wie sie feststellte, hatte sich sein Kleiderstil nicht nennenswert verbessert. Stolz strich sie ihr rosa Fred Segal T-Shirt glatt.
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