Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
wurde still. Nur wenig Licht drang durch die Holzbretter am Fenster herein und von der Straße waren keine Geräusche zu hören.
Es wirkt fast friedlich, dachte Mary. Sie rückte näher an León heran und legte ihren Kopf auf seine Brust. Kurz darauf spürte sie, wie er sanft mit der Hand über ihr Haar strich.
Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich so beschützt bei jemandem fühlen könnte, den ich kaum kenne. Schon gar nicht bei so einem Typen wie León. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu sein. Es tut weh, an ihn zu denken und dass uns nur so wenig Zeit miteinander bleibt. Wenn ich mir vorstelle, dass er morgen nicht mehr da sein könnte …
Mary ließ ihre Hand über seine Brust wandern, fühlte die Muskeln unter seinem Hemd. Sie öffnete die Knöpfe und schob ihre Hand hinein. Er sah sie an. Mary hatte ein Lächeln, vielleicht sogar ein Grinsen erwartet, aber er blieb ernst.
»Was ist mit dir?«, fragte sie ihn, doch er ließ sich mit der Antwort Zeit.
»Es ist alles so verwirrend«, sagte León schließlich. »Geht es dir nicht auch so? Hast du nicht manchmal das Gefühl, gar nichts mehr zu wissen?«
»Bei dir bin ich geborgen, León. So viel weiß ich.«
»Ich bin für dich da, immer.« León zog sie noch enger an sich, sodass Mary fest von seinen Armen umschlossen wurde. Es fühlte sich an, als könnte sie nichts voneinander trennen, als würde die Zeit stehen bleiben. »Vielleicht wurde ich nur geboren, um dir zu begegnen. Vielleicht hat mich mein Schicksal zu dir ins Labyrinth geführt.«
Mary schluckte. »Aber es macht mich traurig, dass wir hier sind und kämpfen müssen, um zu überleben.«
»Ich bin bei dir.«
Sie schmiegte sich an seinen Hals und hauchte: »Halt mich fest.«
Leóns Arme waren stark. So viel Kraft lag darin, aber Mary spürte auch die Verzweiflung, mit der er sie festhielt.
Der Tag verging, warf sein Licht durch die Schlitze. Mary lauschte Leóns gleichmäßigem Atem, er war eingeschlafen.
Sie wandte den Kopf. Im fahlen Licht war sein Gesicht kaum auszumachen, aber wenn León schlief, schien alle Anspannung von ihm abzufallen, seine Züge wurden weich und dahinter wurde der Junge sichtbar, der er niemals hatte sein dürfen.
Oh León, was hat das Leben dir nur angetan? Und was hat es mir angetan?
Aber er war hier. Bei ihr. Mehr konnte man nicht vom Schicksal verlangen.
Noch einmal ließ sie ihren Blick über ihn wandern, dann schloss sie die Augen und träumte einen tiefen Traum.
J eb erwachte durch den Tumult um ihn herum und Leóns wütendes Gebrüll. Er brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen.
León kam herübergestürmt und packte ihn grob an der Schulter. »Er ist weg! Der verdammte Hurensohn ist abgehauen!«
Was?«, stammelte Jeb. »Was ist los?«
»Loco, das Schwein. Er hat sich davongemacht!«
Jeb rieb sich die Augen, schüttelte die Müdigkeit ab. »Bist du sicher? Vielleicht musste er noch mal oder sucht die Räume ab.«
»Ich habe schon überall nachgesehen. Nein, er ist definitiv abgehauen.«
»Beruhig dich«, sagte Jenna neben ihm. »Das ist doch egal.«
»Ach nein?«, widersprach León. »Dieser blöde Hund kommt keine Meile weit, bevor sie ihn schnappen, und dann wird er uns verraten. Versuchen, seine Haut zu retten, indem er Rojo die Mörder seines Bruders liefert. Wir müssen sofort aufbrechen!«
»León hat recht«, meinte Mary. »Wir müssen von hier verschwinden.«
Ihr ursprünglicher Plan war es gewesen, bis nach Mitternacht zu warten, sich über den Schulhof zu schleichen und dann zu versuchen, ungesehen ins Schwimmbad zu gelangen. Jeder von ihnen hatte gewusst, dass es riskant werden würde, aber nun wurde die ganze Sache mehr als das. Denn draußen ging gerade erst die Sonne unter.
Jeb, Jenna, León und Mary bewegten sich vorsichtig über den Hof. Nach wenigen Metern erreichten sie die Eingangstür zum Schwimmbad, die durch eine massive Eisenkette und ein Schloss gesichert war.
León gab den anderen ein Zeichen, ihm zu folgen, und verschwand um die nächste Ecke. Dort machte er vor einem Fenster halt. Es war nicht zugenagelt. Entweder hatte die Zeit nicht mehr dafür gereicht oder die Behörde ging einfach davon aus, dass es in einem Schwimmbad nichts zu stehlen gab und somit auch keine Einbrecher angelockt würden.
León grinste. Da hätten sie sich die Mühe mit der gesicherten Tür sparen können.
Ohne zu zögern, zog er sein Hemd aus und wickelte es sich um die Faust. Jeb wollte etwas sagen, aber León hob
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