Lackschaden
Abend. Perfekt – das Champignonproblem wäre gelöst. Was haben meine neuen Holländerfreunde gesagt? »Mach sie mit Ei, brate sie, aber nur, wenn du am nächsten Tag keine wichtige OP hast.« Die habe ich morgen definitiv nicht. Leider.
Ich decke den Tisch, räume notdürftig auf und bereite das Essen vor. Der Salat ist angerichtet – die Pilze brate ich später.
Mittlerweile ist es kurz vor Sieben und von Christoph keine Spur. Ich versuche es auf seinem Handy. Es meldet sich die Mailbox, wie immer. Seit Jahren dasselbe Theater, nie hat dieser Mann sein Handy an. Um noch in aller Ruhe zu duschen, ist es zu spät. Ich male ein bisschen in meinem Gesicht rum, quetsche mich in meine Lieblingsjeans, die eine Portion mehr Stretch vertragen könnte und um Punkt halb acht klingelt es auch schon.
Die Dollingers, L&G, auf die Minute pünktlich, aber kein Christoph und auch keine Claudia in Sicht. Die können sich auf einen wirklich herzlichen Empfang gefasst machen.
»Hallo!«, begrüße ich die beiden Dollingers mit einem Strahlen, so als kämen sie von der Lottogesellschaft und würden mir gerade mitteilen, dass ich den Jackpot geknackt hätte. »Schön, dass ihr da seid!« Das ist nicht meine erste Lüge heute und wird wahrscheinlich auch nicht meine letzte bleiben. Was soll’s. Im Prinzip können die beiden ja nichts dafür. Immerhin sind sie bei uns eingeladen und wissen ja nicht, wie dämlich ich sie finde. Dafür, dass sie dämlich sind, können sie natürlich schon was …
Gaby hat sich zurechtgemacht, als würde sie für ein schlüpfriges kleines Sexfilmchen auf RTL 2 vorsprechen wollen: Ein hautenges weißes Kleid, das eine Größe größer auch noch gut gepasst hätte, und dazu weiße Pumps. Alle Körperteile sind so behängt, als wäre es bald Weihnachten und sie der Baum. Glitzer und Gold wohin das Auge reicht. Fehlt nur noch Lametta. Wie würde meine Tochter sagen? – »Die Alte geht echt gar nicht!« Er hingegen trägt wie immer einen Blazer, Doppelreiher mit Goldknöpfen, und dazu ganz lässig ein Seidentuch im Hemdausschnitt, weiße Jeans und Slipper mit Socken. Schlimmer geht halt immer, schießt es mir durch den Kopf. Soll das eine Art von Partnerlook sein? Weiß und Gold mit maritimen Elementen?
»Wo ist denn dein Göttergatte, Andrea?«, will Lukas gleich wissen. Die gute Ehefrau würde jetzt kichernd sagen: »Du kennst das ja, Lukas, immer diese Arbeit. Er wird gleich hier sein!« Aber so eine gute Ehefrau bin ich dummerweise nicht.
»Keine Ahnung, er wollte vor einer halben Stunde hier sein und kann sich jetzt verdammt warm anziehen, wenn er auftaucht!«, höre ich mich sagen. Der Satz ist mir einfach so aus dem Mund geschlüpft.
Gaby schaut mich mit tadelndem Blick an: »Aber, Andrea, sei doch nicht so streng, die Jungs rackern sich doch für uns so ab!«
Der eine von den »Jungs« – ihrer – guckt so begeistert, als hätte er ein Leckerchen bekommen und tätschelt ihr anerkennend den Po. Gerade so, als wolle er sagen: Gut gemacht, immerhin eine, die weiß, was los ist und was sich gehört. Die Jungs! Peinlich.
Hinter Gaby und Lukas taucht verstohlen meine Tochter auf. »Hi!«, lautet ihre ausführliche Begrüßung. Sie nimmt nicht mal die Kopfhörer ab. Wahrscheinlich sind die inzwischen sowieso mit den Haaren verwachsen. Ich sehe sie nur sehr selten ohne.
»Wir sprechen uns morgen!«, kommentiere ich ihren Kurzauftritt und aus Gabys pinkem Mündchen kommt ein erstauntes »Oh!«
»Ist die Haustür neu?«, will sie jetzt wissen. »Sieht schön aus, irgendwie gemütlich.«
»Jetzt kommt halt erst mal rein!«, übergehe ich die Türbemerkung und drücke den beiden ein Glas Prosecco in die Hand. Wir haben im Keller auch noch eine Flasche guten Schampus, aber ich habe beschlossen, den für eine andere Gelegenheit aufzuheben oder ihn irgendwann mal abends einfach ganz allein zu trinken.
Kaum haben wir angestoßen, steht Christoph im Hausflur.
»Schön, dass du auch kommst!«, zische ich.
»Jetzt bleib mal locker, Andrea!«, springt Lukas direkt für Christoph in die Bresche und Gaby wirft sich in seine Arme, als wäre er nach monatelangem Gefängnisaufenthalt (natürlich unschuldig) endlich wieder auf freiem Fuß.
»Das ist doch mal eine Begrüßung nach meinem Geschmack!«, lacht mein Mann, und ich könnte ihm eine knallen. Demnächst sollen wir wohl noch den roten Teppich ausrollen, wenn er sich tatsächlich mal rechtzeitig zu Hause einfindet.
»Was gibt’s denn
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