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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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lebenslange intensive Liebe? Wie hat er sie konserviert? Gibt es da ein Geheimnis oder ist es einfach nur Glück? Lieben manche leichter? Geht an manchen Menschen der Alltag einfach spurlos vorbei? Ist ihre Liebe wie ein riesiger Kokon, der sie umhüllt, abschirmt gegen Widrigkeiten jeder Art?
    Ich würde mich am liebsten selbst einmal kräftig durchschütteln. Dieses permanente Gejammer und dieses unsägliche Selbstmitleid. Ich neige normalerweise nicht besonders zu Selbstmitleid, schon weil es dafür in meinem Leben gar nicht genug Zeit gibt. Es geht ja dauernd um andere und deren Befindlichkeiten.
    Was erwarte ich eigentlich? Rosarote Wolken? Himmlische Liebe rund um die Uhr?
    Meine Mutter würde zu all dem nur sagen: »Reiß dich mal zusammen!«
    Sie neigt zu einem gewissen Pragmatismus und findet derart romantische Visionen albern. »Dir geht es doch gut«, würde sie mich ermahnen, »was willst du denn noch!?« Tja, das Leben ist kein Ponyhof, wie man heute so schön sagt.
     
    Ich kaufe wie in Trance Lachs, Tiefkühlerbsen, Salat, ein paar Champignons und Himbeeren für den Nachtisch. Ich fühle mich immer noch mies. Wie eingehüllt in eine Wolke aus Melancholie. Der Supermarkt verstärkt dieses Gefühl noch. Wie viel Lebenszeit habe ich hier wohl schon verbracht? Wie viel Zeit vertue ich überhaupt mit solch profanen und langweiligen Tätigkeiten wie zum Beispiel Einkaufen?
    Und die Krönung ist: Wenn ich all das erledigt habe, kommen abends – in meiner Freizeit – Gäste, die ich nicht mal mag. L&G nenne ich die Dollingers insgeheim: Lukas Langweilig und Gaby Gewöhnlich. Warum mache ich das nur mit? Wenn Christoph L&G so toll findet, kann er sie ja gerne einladen. Aber, wenn möglich, ohne mich. Nur, weil wir ein Paar sind, heißt das ja noch lange nicht, dass wir, was Freunde betrifft, immer konform gehen müssen. Ich könnte in der Zeit, in der die Dollingers da sind, ins Kino gehen oder mich im Schlafzimmer mit einem guten Buch verstecken. Die Idee gefällt mir – einerseits. Andererseits wäre ich selbstverständlich zutiefst beleidigt, wenn Christoph sich so verhalten würde. Ich kann mich direkt rummeckern hören: »Einen Abend wirst du ja wohl mir zuliebe …!«
    Heute noch, denke ich. Heute spiele ich noch mal die gute, brave Ehefrau. Obwohl ich, ehrlich gesagt, lieber die Neurochirurgin wäre. Es hat richtig Spaß gemacht, sich neu zu erfinden. Das mache ich nächste Woche wieder, entscheide ich und muss tatsächlich ein wenig grinsen. Mal sehen, wer ich dann bin: Krankenschwester, Hundezüchterin, Pornodarstellerin oder Atomphysikerin?
     
    Türmäßig hat sich nichts getan. Was soll’s. Wen interessiert das letztlich? Wir leben ja im Haus und müssen nicht ständig von außen drauf gucken. Außerdem: Es ist ja nur eine blöde Tür. Sie geht zu, man kann sie abschließen – okay, sie sieht beschissen aus, aber alles kann man vielleicht noch nicht mal von einer Tür erwarten.
    Rudi kommt, sobald ich die Haustür aufgeschlossen habe, auf mich zu: »Hast de Zeit gehabt emal druff zu gucke? Uff mein Vorschlag?«, fragt er schüchtern.
    Statt zu antworten, nehme ich ihn erst einmal in den Arm. Sein Brief hat mich so angerührt, dass ich direkt wieder weinen könnte. Obwohl, oder gerade weil ich etwas komplett anderes erwartet hatte. Detaillierte Anweisungen, Redevorschläge. Stattdessen – eine Hommage an Inge.
    Wir stehen einfach nur da. Jeder in seinem höchsteigenen Unglück, fest umschlungen.
    »Ja«, sage ich dann, als wir uns aus der Umarmung lösen, »ja, ich habe ihn mir angeschaut. Du kannst dich auf mich verlassen.«
    Es ist siebzehn Uhr, und in zweieinhalb Stunden werden L&G hier auf der Matte stehen.
    »Ich muss das Essen vorbereiten, nach den Kindern gucken und noch irgendwie ein bisschen Ordnung hier reinkriegen. Wir reden in den nächsten Tagen in Ruhe über alles«, vertröste ich Rudi.
    »Hoffe mer ma, des es dann net zu spät ist«, antwortet er. »Ach und leider, Andrea, isch hab die Tür net mer raus gekriegt.«
    Scheiß auf die Tür, denke ich, sage aber: »Macht nichts, da kümmern wir uns später drum! Das kann dann Christoph machen! Ach, und Rudi, sind die Kinder da?«
    »Der Klaane is obe und die Große is unnerwegs, lerne. Sie kommt irgendwann später, hat se gesagt.«
    Irgendwann später, wie freundlich von der Gnädigsten. Und so präzise. Die tickt ja echt nicht mehr richtig. Christoph und ich müssen dringend mit Claudia reden. Heute nicht – auch irgendwann

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