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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Artikel ist, es gibt immer unglaublich viele Vorgaben der Hersteller, an die man sich halten muss. Bei Putzmitteln soll zum Beispiel auf jeden Fall das Wort »sauber« vorkommen. Eine wahnsinnige Überraschung. Was soll ein Putzmittel auch sonst machen? Sehr gefragt ist zudem das Wort »hygienisch«. Und neuerdings auch »keimfrei«.
    Während ich also über der fünfzigsten Version von keimfrei, hygienisch und supersauber brüte, denke ich nebenbei auch über mein Abendmenü nach.
    Salat, dann irgendwas mit Fleisch oder Fisch und ein netter kleiner Nachtisch. Für eine Amuse-gueule oder wie die Dinger heißen, Zwischengänge und Ähnliches wird meine Zeit nicht reichen. Ich gehöre nicht zu den Allroundfrauen, die neben Familie und Beruf noch auf Sterneniveau kochen können. Ich hätte Anita fragen sollen. Die ist ja eine von diesen Das-Mache-Ich-Doch-Mit-Links-Frauen. Eine von den Frauen, die mir zunehmend auf den Wecker gehen. Frauen wie Anita hängen die Messlatte verdammt hoch. Verschieben die Normalität. Riesiger Aufwand wird runtergespielt, kleingeredet und damit zur Normalität. Wer nicht bereit ist, ähnlich perfekt sein zu wollen oder alles scheinbar ähnlich mühelos zu erledigen, ist die letzte Lusche.
     
    Ich werde Lachs machen, beschließe ich. Ich mache eigentlich immer Lachs, wenn Gäste kommen. Lachs kann ich. Lachs ist in den letzten Jahren mein Standardgericht für Einladungen geworden. Das Rezept habe ich mal von einer Freundin bekommen: Lachs auf Erbsenpüree. Sieht gut aus, das zarte Rosa vom Lachs auf dem satten grellen Grün. Es gibt nur einen winzigen Risikofaktor: Essen die Dollingers Fisch? Sollte ich besser noch mal nachfragen? Ich entscheide mich dagegen. Wenn sie keinen Fisch mögen, sollen sie eben das Erbsenpüree essen. Außerdem gibt’s ja vorher Salat. So schnell verhungert heute ja keiner mehr.
     
    Manchmal habe ich das Gefühl, mein Leben, das Leben an sich, dieses angeblich pralle, satte Leben, rauscht einfach so an mir vorbei. Es herrscht Hochbetrieb auf der Lebensautobahn, alles ist in Bewegung, und ich stehe abseits und komme einfach nicht drauf auf diese Autobahn. Kein Beschleunigungsstreifen weit und breit. Stattdessen eine enge, kleine, trostlose Sackgasse, in der ich feststecke. Ich kann nicht wenden und finde keinen Autobahnzubringer. Meine Güte, was habe ich für Gedanken! Lebensautobahn? Werde ich gerade verrückt, habe ich eine Depression oder stimmt das, was der Jaguar-Arsch gesagt hat? Bin ich vielleicht wirklich eine frustrierte Ziege in den Wechseljahren, die mal wieder einen richtigen Fick braucht?
    So oder so, darum kann ich mich im Moment nicht kümmern. Wo sollte ich hier im Büro auch einen richtigen … herbekommen? Ich muss los, einkaufen und das Essen vorbereiten. Keimfrei und Supersauber müssen warten.
     
    Auf dem Weg vom Büro zum Supermarkt greife ich in meine Jackentasche und finde Rudis Trauerredenentwurf. Ich parke und lese das, was mein Schwiegervater mit seiner kleinen, sehr ordentlichen Schreibschrift notiert hat:
    Liebe Andrea,
    du hast wirklich genug um die Ohren, das weiß ich. Deshalb nur in Stichworten das, was ich gern bei meiner Beerdigung hören würde. Und tu mir den Gefallen – macht kein Gedöns. Ich brauch nicht so einen Hokuspokus, auch keinen teuren Blumeschmuck oder Supersarg. Verbrennt mich und lebt euer Leben. Ich hatte meins. Es hat mir gefallen, weil ich Inge hatte. Inge war des Beste in meinem Leben. Ich hab sie so geliebt. Immer. Von Anfang an. Ich hab nichts Großes geleistet, keine Mordskarriere oder irgend so was. Unser Wohnmobil, der Hund und Inge – das war mein Leben. Natürlich auch unser Bub und ihr, die Enkelchen. Aber, sei mir nicht bös, Andrea, vor allem Inge. Und ohne Inge ist halt nichts mehr so wie es war. Ihr könnt nichts dafür.
    Sag bei der Trauerrede nur, wie lieb ich sie gehabt hab. Und dass sie mein Leben war.
    Ach ja, seid so gut und kümmert euch um Karl. Der vermisst die Inge auch so.
    Ich muss weinen. Was für eine unglaubliche Liebe. Inge war sein Leben! Würde Christoph das über mich sagen? Würde ich das über Christoph sagen? Ist Christoph mein Leben? Ich muss heftiger weinen. Vielleicht, weil ich die Frage, wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, mit Nein beantworten muss. Er ist Teil meines Lebens. Aber mein Leben? Definitiv nicht. Er lebt mit mir in einem Haus, wir haben zwei Kinder, wir kommen klar. Mehr ist es nicht. Jedenfalls momentan nicht. Wie hat Rudi das nur geschafft? Diese

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