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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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später.
    »Willst du wirklich mit den Kindern essen oder doch lieber nachher mit uns und den Dollingers?«, frage ich noch mal nach.
    »Wenn, dann mit den Kinnern, aber isch hab eischentlich überhaupt kaan Hunger«, antwortet mein Schwiegervater.
    Bei allem Mitleid und aller Liebe – das nervt mich jetzt doch. Deshalb spare ich mir das sonst übliche Aber-Rudi-Du-Musst-Doch-Was-Essen-Gerede und sage nur: »Wie du willst, Rudi. Du bist ja alt genug. Sei so nett, wenn du hochgehst, und sag Mark Bescheid, er möchte zum Essen runterkommen. Wenn du auch etwas essen magst, kommst du einfach dazu oder nimmst dir später was.«
     
    Ich schneide ein paar Scheiben Brot ab, hole Butter, Wurst und Käse aus dem Kühlschrank und warte. Natürlich kommt Mark nicht. Ich brülle in Richtung erster Stock: »Mark, Essen ist fertig.«
    Keine Reaktion. Auch beim dritten Mal nicht. Ich könnte nach oben gehen, ihn an den Ohren packen und runterzerren. Könnte. Dazu habe ich aber keine Lust. Ich könnte auch irrsinnig konsequent sein und das Essen wegräumen. Stattdessen rufe ich: »Mark, ich habe dir ein iPhone mitgebracht!«
    Es dauert nicht mal 30  Sekunden, und mein Sohn steht strahlend in der Küche.
    »Cool. Echt cool!«, ruft er begeistert. So euphorisch bin ich lange nicht mehr begrüßt worden. Gut, er hat keinen kompletten Satz gesprochen, aber diesen Anspruch habe ich auch schon längst aufgegeben.
    »Wo ist es denn, das iPhone?«, fragt er jetzt nach.
    »Keine Ahnung!«, antworte ich.
    »Aber du hast doch gesagt, du hättest mir eins mitgebracht!«, nölt er mich an.
    »Das war gelogen. Mama hat gelogen, nur damit du endlich deinen Hintern hier runterbewegst. Setz dich hin und iss. Ich habe kaum Zeit. Wir bekommen Besuch.«
    Er stapft zum Tisch, und ich höre ihn murmeln: »Voll gemein, voll fies.« Kann sein – aber immerhin hat es funktioniert. Mein Sohn hat sich in die Niederungen der Küche begeben.
    »Gibt’s nichts Warmes?«, ist sein nächster Kommentar.
    »Du kannst dir das Brot warm machen, dann hast du was Warmes!«, pampe ich ihn an.
    Heute können mich alle mal. Ich weiß natürlich, dass man so nicht mit seinen Kindern umgehen sollte, und meistens strenge ich mich auch wirklich an. Aber es gibt nun mal Tage, da reicht es einfach, da hat die Servicekraft und Dienstleisterin es schlicht und einfach satt. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen. Zu seinem Pech hat er jetzt gerade meinen ganzen Unmut abgekriegt.
    »Boah, bist du Scheiße drauf!«, stellt mein Sohn nicht zu Unrecht fest, »kann ich mir die Brote mit hochnehmen?«
    Auf einen weiteren pädagogischen Fauxpas kommt es jetzt auch nicht mehr an: »Ja, mach nur!«, nicke ich. »Und ja, ich bin echt Scheiße drauf.«
    Gepflegte Umgangsformen im Hause Schnidt. Mein Sohn verlässt kopfschüttelnd das Zimmer.
     
    Ich wasche den Salat und die Champignons und merke, dass letztere nicht mehr in Bestform sind. Es bleiben, nach eingehender Betrachtung, nur fünf kleine, einigermaßen vorzeigbare, Exemplare übrig – für vier Erwachsene. Ich könnte stattdessen Thunfisch in den Salat mischen, aber Fisch im Salat und zum Hauptgang ist vielleicht ein bisschen zuviel. Ich glaube, ich habe auch gar keinen Thunfisch mehr im Haus. Wegen der Delfine! Thunfischesser sind Delfinmörder! Das hat mir Claudia beim Öffnen der letzten Dose um die Ohren geschleudert. Seitdem habe ich eine echte Thunfischkaufhemmung. Immer, wenn ich nach einer Dose greifen will, sehe ich sterbende Flipper vor mir. Ich werde einfach noch ein paar Nüsse auf den Salat streuen. Am liebsten würde ich die Gammelpilze direkt zurück zum Supermarkt fahren und irgendwem um die Ohren hauen. Dazu hätte ich momentan zwar ausreichend Aggressionspotential, aber leider fehlt mir die Zeit.
    Mein Handy klingelt. Wo, um alles in der Welt, habe ich das gelassen? Als ich es in den Tiefen meiner Handtasche entdecke, ist es zu spät. Ein Anruf in Abwesenheit, teilt mir mein Handy mit. Ein Anruf von Anonym. Im Zweifelsfall war das Christoph. Er weigert sich, seine Rufnummer anzeigen zu lassen, egal wie oft ich ihn darum bitte.
    »Ich will nicht, dass jeder, mit dem ich telefoniere, meine Nummer sehen kann!«, bekomme ich dann jedes Mal zur Antwort. Ein Argument, das sich mir nicht so recht erschließen will. Wieso darf man seine Nummer nicht sehen? Macht er nebenher obszöne Anrufe oder erpresst er jemanden? Was für ein Wichtiggetue!
    Aber in der Handtasche finde ich noch etwas. Die Pilze von gestern

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