Lackschaden
ja mal beim Golf!«, beendet die Fincabesitzerin ihren kleinen Smalltalk mit meinem Mann, der mir irgendwie gerade ganz peinlich ist. Er hat so was Untertäniges in seiner Stimme gehabt. Gepaart mit Bewunderung. Einen gewissen Sozialneid kann ich ja noch nachvollziehen, aber dieses Devote finde ich übertrieben. Sie haben ein Haus – fein für sie. Es gibt immer Menschen, die mehr haben.
An sich finde ich – wir können zufrieden sein. Aber Christoph hat seit Neustem so einen Drang nach mehr. Nach mehr sozialem Status, mehr Anerkennung, mehr Luxus.
»Also dann, tja, vielleicht sieht man sich mal!«, verabschiedet er sich, und ich ziehe ihn sanft in Richtung Sicherheitskontrolle.
»Was sollte denn das?«, zische ich ihn an, nachdem Familie Golf außer Sichtweite ist.
»Man wird doch mal mit netten Leuten ein Gespräch führen dürfen!«, verteidigt er sich direkt.
»Seit wann erwägen wir, ein Ferienhaus zu kaufen?«, frage ich giftig nach.
»Ich habe schon mal drüber nachgedacht. Ist doch ne schöne Sache so ein Ferienhaus, oder?«, antwortet er ganz freundlich.
»Eine sehr schöne Sache. Die Frage ist nur, wovon wir uns ein Ferienhaus kaufen, vielmehr du dir ein Ferienhaus kaufst!«, merke ich leicht ironisch an.
Eine schöne Sache! Eine schöne Sache ist für mich irgendwie kleiner. Ein iPad oder eine kuschelige Decke oder ein paar heiße Stiefel. Aber ein Haus? Wir leben sicherlich nicht über unsere Verhältnisse (auch ein Ausdruck meines Vaters), aber einer von uns denkt augenscheinlich über unsere Verhältnisse. Verrückt. Wann wollte er mir denn mitteilen, dass wir darüber nachdenken, ein Ferienhaus zu kaufen?
Im Flugzeug sitzen wir in einer Dreierreihe – Christoph am Fenster, ich habe den Mittelplatz. Ich hasse den Mittelplatz. Nirgends kann man seine Beine hinstrecken. Zu meiner großen Freude setzt sich einer aus der Ficken-Blasen-Saufen-Gruppe neben mich. Mit Bierdose in der Hand und ordentlicher Bierfahne.
»Auch ein Schlückchen?«, fragt er freundlich.
Christoph wendet mir entsetzt den Kopf zu.
»Gerne«, sage ich, obwohl es mich ein ganz klein bisschen ekelt. Aber es ist eine Art Trotzreaktion. Christoph strebt nach oben, ich orientiere mich in die Gegenrichtung. Der FBS -Mann hält mir freudestrahlend die Bierdose hin, und ich nehme einen guten Schluck.
»Andrea, ich bitte dich!«, entfährt es meinem Mann.
Er schaut, als hätte ich eine Klobrille auf einer Rastanlage abgeleckt.
»Willst du auch was?«, frage ich freundlich.
»Sag mal, geht’s noch?«, kommt die prompte Rückfrage.
»Ich bin der Jens!«, stellt sich mein Sitznachbar vor.
»Andrea«, antworte ich und reiche ihm seine Bierdose zurück.
»Kannst jederzeit noch einen Schluck haben!«, redet Herr Ficken-Blasen-Saufen weiter.
»Interessantes T-Shirt!«, sage ich nur.
»Na ja«, wird er ein wenig verlegen, »ist halt ziemlich eindeutig, aber die anderen fanden es gut, und ich wollte kein Spielverderber sein.« Gruppenzwang – da haben wir es.
»Sehr eindeutig«, stimme ich zu, immerhin scheint er sich zu schämen, »und vielleicht auch nicht ganz altersadäquat.«
»Alters … was?«, will er wissen und ich sage,
»Na ja, nicht passend für dein Alter.«
»Was soll’s!«, ist sein Kommentar. »Noch ein Schluck Bier, Frau Nachbarin?«
Ich verzichte dankend und dann starten wir.
Zweieinhalb Stunden dauert der Flug, nur unterbrochen von einem Brötchen und einer Dose Bier, die mir Jens spendiert. Er hat mich in sein Herz geschlossen. Normalerweise trinke ich nachmittags kein Bier. Normalerweise trinke ich überhaupt sehr selten Bier. Aber warum eigentlich nicht? Immerhin habe ich Urlaub, muss nicht mehr Auto fahren und so ein kleiner nachmittäglicher Rausch ist auch mal eine feine Sache.
Das scheint Christoph anders zu sehen. Demonstra- tiv hat er ein Wasser ohne Kohlensäure bestellt. Das ist das neuste. Wasser ohne Kohlensäure. So ähnlich kommt mir auch unsere Beziehung vor. Eine Ehe ohne Prickeln.
»Isst du dein Brötchen nicht auf?«, unterbricht Jens, mein neuer Freund und Bierspendierer, meine schrägen Assoziationen. Ehe ohne Prickeln? Ich überlasse ihm mein angebissenes Brötchen, und er freut sich.
»Bei dem, was wir so wegkippen, muss man eine ordentliche Grundlage haben«, versucht er, mir seinen guten Appetit zu erklären.
Christoph ist ob meiner neuen Flugbekanntschaft reichlich konsterniert. Er sagt gar nichts mehr und nippt an seinem Wässerchen. Wahrscheinlich hat er
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