Lackschaden
»Ich muss mich ja wenigstens umziehen, kann ja schlecht so zum Golfen!« Er grinst.
Jetzt muss ich schon in Konkurrenz zum Golfspiel treten. Das ist demütigend.
»Ich zeig euch mal, wo euer Zimmer ist!«, unterbricht uns eines von diesen immer freundlichen Wesen, genannt Animateur. »Ich bin der Hansi!«, strahlt er uns an. Hansi ist blutjung und augenscheinlich verzückt von seinem Aufgabengebiet.
Die Clubanlage macht so auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Sauber, architektonisch ganz nett und unser Zimmer ist zwar klein, aber okay. Ich habe eh nicht vor, viel Zeit im Zimmer zu verbringen, und wenn überhaupt, dann im Bett.
»Wollen wir uns erst mal ein Stündchen hinlegen?«, frage ich, so kokett wie möglich, kaum dass ich die Tür hinter mir zugezogen habe.
»Hinlegen – mitten am Tag?«, kommt die sofortige Rückfrage. »Lass uns den Club erkunden!«, schlägt mein Mann alternativ vor.
Immerhin, er hat von uns beiden gesprochen. Früher hätte ich das mit dem Hinlegen nur andeuten müssen und er wäre im Bett gewesen, aber früher war eben früher. Gemeinsam den Club zu erkunden ist ja auch schon mal eine nette Idee. Immerhin rennt er nicht direkt zu seinen Golfkumpels auf diese ominöse Driving Range. Vielleicht darf man nicht gleich zuviel erwarten.
Die Clubanlage ist schön, der Wellnessbereich riesig, der angrenzende Strand winzig. Aber es ist ein Strand da. Und das Meer.
»Lass uns die Badesachen holen und ein bisschen am Strand liegen und aufs Meer gucken!«, schlage ich meinem Mann vor. Er willigt ein, möchte aber vorher noch einen kurzen Blick auf die umliegenden Sportanlagen des Clubs werfen.
»Es gibt Tennisplätze, ein Fußballfeld, ein riesiges Arenal mit Sportmöglichkeiten!«, zählt er begeistert auf.
Natürlich ist dort garantiert auch diese Driving Range. Aber – ach, was soll’s.
»Lass uns aufs Zimmer gehen, da ziehen wir uns um, und ich gehe vor zum Strand. Du kannst ja dann nachkommen!«, zeige ich mich kompromissbereit.
Man muss auch gönnen können. Schließlich haben wir Urlaub und sind auch keine siamesischen Zwillinge.
»Abgemacht!«, stimmt er auch direkt zu.
Eine Viertelstunde später liege ich am Strand. Allerdings nicht im orangefarbenen Bikini – für den müsste ich entweder ordentlich alkoholisiert oder irgendwie anderweitig enthemmt sein. Zumindest braungebrannt wäre gut. Ich mag es, einfach nur am Strand zu liegen. Ohne zu lesen und ohne Stöpsel im Ohr. Ich gehöre sowieso nicht zu den Menschen, die ständig Musik auf den Ohren haben. Schon aus der Angst heraus, um mich herum vielleicht etwas zu verpassen. Außerdem finde ich, es wirkt irgendwie auch leicht autistisch und nicht wirklich kommunikativ. Kopfhörer auf den Ohren sagen: Lass mich ja in Ruhe! Zu Hause allerdings wäre das definitiv manchmal eine Botschaft in meinem Sinne. Sollte ich mal in Betracht ziehen. Meine Kinder machen das ja oft genug.
Die Kinder. Ich überlege, ob ich nicht schon mal bei Claudia und Rudi anrufe, entscheide mich aber dagegen. Ich möchte auf keinen Fall wie die Übermutti erscheinen, die es kaum einen halben Tag ohne ihren Nachwuchs aushält. Außerdem sollen sie nicht das Gefühl haben, kontrolliert zu werden. Jedenfalls Rudi nicht. Claudia könnte ein wenig Angst vor Kontrolle nicht schaden.
Ich beäuge die Menschen um mich herum. Stelle mir vor, ich wäre Single und auf Männersuche. Ich liebe Gedankenspiele. Die Ausbeute ist klein. Gut, der Strand ist auch klein, aber immerhin liegen etwa 30 Männer hier rum. In Badehose lässt sich wenig kaschieren. Ich weiß, wovon ich rede! Keiner der Männer sieht so aus, dass ich spontan bereit wäre, mich auch nur auf einen Kaffee zu verabreden. Dabei bin ich, was Äußerlichkeiten angeht, gar nicht mal streng. Wie auch? Ich gehöre nun mal auch nicht zur allerersten Liga. Egal, wie wohlwollend man mich betrachtet. Mittelalt, mittelschlank, mittelhübsch. Und mitteldick – je nachdem, mit wem man mich vergleicht. Das ist nichts, womit man sich als Superbeauty qualifiziert. Ein Mann, der mir gefällt, muss nicht umwerfend aussehen. Aber er muss irgendetwas in mir ansprechen. Und er muss so aussehen, dass ich mir vorstellen könnte, ihn zu küssen – lange und mit allem. Insofern ist Aussehen doch wichtig für mich, denn wenn ich ihn nicht lecker finde, mag ich mir gar nichts vorstellen – egal wie humorvoll, intelligent, großzügig und charmant er ist.
Ein Drittel der Männer hier am Strand ist tätowiert.
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