Lackschaden
Mal im Monat ist Pflicht – mehr ist aber immer erlaubt. Quasi als Kür. An den verabredeten Terminen muss was gehen. Alles, was darüber geht, basiert auf Freiwilligkeit«, erklärt uns Leonie ihre seltsame Sexplanung.
»Man kann sich Sex doch nicht vornehmen und terminieren, so wie eine Yogastunde?«, schnaubt Anita.
»Doch, klar, kann man das. Und vor allem bleibt man in Übung. Wenn man lange keinen Sex hat, wächst da so ein Unbehagen und man wird immer klemmiger. Es baut sich da so was auf und das wollen wir erst gar nicht entstehen lassen!«, erklärt Leonie ihre spezielle Vorgehensweise.
Ich kann durchaus verstehen, was Leonie meint. Je länger man keinen Sex hat, umso komischer wird die Vorstellung, welchen zu haben. Das geht mir ähnlich. Wenn monatelang nichts läuft, wächst der Anspruch. Einfach mal so eine entspannte kleine Nummer zu schieben, erscheint unvorstellbar. Da will man dann, schon weil man ja so ewig lange abstinent war, das ganz große Programm. Volle Leidenschaft, voller Einsatz. Und schon der Gedanke an all die Ansprüche lässt es einen nicht tun, weil man ahnt, dass das nicht klappen wird. Es gab doch mal ein Ehepaar, das – ähnlich wie Leonie – ein Sexexperiment gemacht hat. Hundert Tage lang – täglich Sex.
»Erinnert ihr euch«, frage ich die anderen Frauen, »an dieses Paar, wo die Frau ihrem Mann zum Geburtstag hundert Tage lang täglich Sex geschenkt hat?«
»Abartig!«, urteilt Anita sofort, »wo bleibt da die Spontaneität? Das ist ja völlig ritualisiert. Zwang, Druck – was soll das? Das hat doch bei dem Thema nichts zu suchen! Sex auf Knopfdruck!«
Sie regt sich richtig auf. Als hätte man sie persönlich angegriffen. Ich bin mir da gar nicht so sicher.
Jacky mischt sich ein: »Das habe ich gelesen, da gibt’s ein Buch. Mir hat das damals eingeleuchtet. Einfach mal wieder in Übung kommen, das macht doch Sinn.«
Ich finde, das klingt wirklich ganz einleuchtend, aber hundert Tage lang täglich Sex? Das macht mir auch Angst. Wann, um alles in der Welt, soll der denn in meinem vollgepackten Tag noch stattfinden? Was, wenn man müde oder erschöpft ist, oder schlicht keine Lust auf Sex hat? Ich denke kurz darüber nach, ob das ein nettes Geschenk zu Christophs Geburtstag sein könnte, bin mir aber insgeheim sicher, dass er lieber einen neuen Eisensatz für sein geliebtes Golf hätte.
Es klingelt. Ich höre es schon aus dem Esszimmer. An der Tür ist eindeutig mein Schwiegervater Rudi.
»Andrea, ist für dich!«, ruft da auch schon Anita.
Ich eile zur Tür.
»Des wird dir net gefalle, was ich jetzt sach!«, beginnt er. »Isch hab misch ema um unser Haustür gekümmert. Des Schloss war irschendwie net rischtig drin. Isch habs ausgebaut. Jetzt is es drausse, aber irschendwie kriesch ich es net mer enei.« Er schüttelt bedauernd den Kopf.
Der hat was? Unser Haustürschloss ausgebaut? Meine Güte, muss ich jetzt schon einen Opasitter beauftragen. Ich bin genervt, aber nach einem Blick in Rudis zerknirschtes Gesicht tut es mir direkt leid. Wie immer hat er es ja nur gut gemeint!
»Rudi, was heißt das jetzt genau für unsere Tür?«, frage ich vorsichtig und versuche, freundlich zu klingen.
»Gebt ihr misch jetzt ins Heim?«, umgeht er meine Frage mit einer Gegenfrage. Meine Güte! Was für eine Taktik, mir direkt ein schlechtes Gewissen zu machen. Ich habe eine richtige Beißhemmung.
»Ich mach’s ja eh net mer lang, da lohnt so en Heim gar net mer. Bis ich drin bin, bin ich eh hin.«
Jetzt sind wir mal wieder beim alles entscheidenden Thema. Wie soll ich da mit so etwas Belanglosem wie einem Türschloss kommen? Tod gegen Türschloss – da hat ein Türschloss natürlich keinerlei Chancen.
»Du bist lebendig und musst auch nicht ins Heim. Aber es wäre natürlich toll, wenn wir unsere Haustür schließen könnten!«, gebe ich eine möglichst verbindliche Antwort. Steht unsere Tür jetzt etwa offen? Werden wir gerade ausgeraubt? Eigentlich hätte ich große Lust, Rudi anzuschreien, aber so wie er guckt, fängt der glatt an zu heulen. Innerlich tadele ich mich selbst. Andrea, reiß dich zusammen, er hat seine Frau verloren, er denkt, er stirbt bald und ist einfach zutiefst unglücklich. Du wirst doch einen solch armen Mann nicht hauen wollen! Ich will aber trotzdem. Bei aller Traurigkeit – er muss sich doch nicht an unserem Haustürschloss vergreifen.
»Ich krieg des wiedä hin, Andrea. Ich brauch nur en paar Schräubscher. Dann klappt des. Resch
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