Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)
sein."
Sie geleitete ihn in ein kleines, mit einer Unmenge Zeichnungen angefülltes Arbeitszimmer.
"Ich hole eben meinen Mann", murmelte die Frau und verschwand. Günter sah sich um und wollte sich gerade auf einen der Bürostühle niederlassen, denn nun spürte er doch deutlich, wie früh er aufgestanden war. Armand erschien in der Tür. Günter nahm einen großen Mann mit gemessenen Bewegungen wahr, silbergrauem Haar mit der Tendenz zur Künstlermähne, einer gepflegten Aussprache und zurückhaltendem Lächeln.
" Einen schönen Morgen! Meine Frau sagte mir, Sie seien von der Kriminalpolizei. Bitte nehmen Sie Platz, darf ich Ihnen Kaffee anbieten?"
Mit diesen Worten manövrierte Armand Günter ins Wohnzimmer hinüber. "Danke!" , sagte Günter, "ich habe gerade erst gefrühstückt." Er setzte sich seufzend.
"Sie haben Fragen wegen des Turmes?" , wollte Armand wissen.
"Ja", bestätigte Günter.
"Ihr Kollege war deswegen schon bei mir", warf Armand ein.
"Mein Kollege ist tot", sagte Günter ohne besondere Betonung.
"Wieso tot?", fragte Armand völlig verständnislos.
"Er ist heute Nacht vom Turm gestürzt", klärte Günter ihn auf.
Armand schwieg und sein sensibles Gesicht spiegelte seine Betroffenheit nur zu deutlich. Er tat Günter fast leid. Musste doch schrecklich sein, einen Turm zu bauen, von dem aus sich laufend Menschen in den Tod stürzten. Du willst einen Sendeturm bauen, und es wird ein Sprungturm.
"Warum?" stellte Armand die entscheidende Frage.
Günter schüttelte leicht den Kopf. "Wir wissen noch nicht einmal genau wie, geschweige denn, warum. Ein Anhaltspunkt ist das Schloss. Es stand wieder offen. Genau gesagt sind es ja zwei Schlösser, eines in die Tür eingebaut und ein Vorhängeschloss. Beide standen offen. Keine Spuren von Gewaltanwendung. Nach unseren Informationen verfügen nur die Leute von der Bundeswehr, also der Nato, die Betreiber, also die Bundespost und Sie über die entsprechenden Schlüssel. Ich nehme als sicher an, dass Sie die Türe nicht geöffnet haben. Haben Sie eine Erklärung dafür, wie diese Öffnung möglich gewesen ist?"
Armand dachte nach. Bei dem Schloss in der Tür handelte es sich um ein BKS-Sicherheitsschloss. Nach dem ersten Selbstmord schon hatte man zusätzlich eine Öse und einen Flansch auf die Türe geschweißt und mit einem Burg-Vorhängeschloss gesichert.
"Ich verstehe nicht, wie das möglich ist", sagte Armand und die Unruhe war in seiner Stimme deutlich hörbar. "Gibt es eigentlich Parallelen zu diesem Fall?" , fragte er etwas ausweichend.
"Woran denken Sie bei dieser Frage?" , wollte Günter wissen.
"Ich denke daran", entgegnete Armand, "dass Bauwerke vielleicht die Macht haben, Menschen sehr nachhaltig zu beeinflussen. Es hat doch immer wieder Bauwerke gegeben, die Lebendsmüde fast magisch anzogen."
Günter knurrte: "Mein Kollege war nicht lebensmüde, bestimmt nicht! Bei den ersten drei Fällen ist Selbstmord nicht auszuschließen. Aber Friedrich hatte sich vor drei Wochen ein sehr teures Segelboot gekauft. Im nächsten Jahr wäre er pensioniert worden. Und er hatte mit dem Boot noch einiges vor. Nein, ich halte das für ausgeschlossen. Mein Kollege neigte nicht zu unüberlegten Handlungen."
"Woher wollen Sie das so genau wissen? Kannten Sie ihn denn so gut?", warf Armand ein.
Günter musste zugeben, dass er seinen Kollegen nicht so gut kannte.
Er ging er noch einmal zurück zu ihrer Ausgangsposition: "Sagen Sie mir noch etwas über die Schlösser!"
Armand beschränkte sich auf den technischen Teil: "Nehmen wir mal das BKS-Schloss. Es handelt sich um ein Zylinderschloss, das mit einem Mitnehmer, einem etwa acht Millimeter breiten Metallstift, den Schließer in die Ausnehmung der Türfüllung drückt. Der Schließer dringt bei einmaligem Umdrehen des Schlüssels etwa zwei Zentimeter weit vor, beim zweiten Umdrehen etwa vier Zentimeter. Danach ist der Schließer durch eine Falle gesperrt. Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Stift durch etwas anderes als durch einen passenden Schlüssel bewegt werden kann."
"Wenn wir wissen, wie die Schlösser geöffnet wurden", erklärte Günter sein Interesse, "bekommen wir vielleicht etwas Licht in diese dunkle Angelegenheit."
„Haben Sie vielleicht schon mal an Spionage oder so etwas gedacht?", fragte Armand.
Günter stutzte: "Spionage?"
"Immerhin handelt es sich um eine Sendeanlage, die auch militärische Relevanz hat", fuhr Armand fort
Günter zuckte ein wenig zusammen, denn in diesem
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