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Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Titel: Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Vibrationen unbeschreibliche Laute von sich gab. Günter folgte seiner Kollegin. Sie stiegen die Stufen hinauf und erreichten die erste Plattform. Es war, als stünden sie nicht auf hartem, starrem Beton, sondern auf einem schwankenden Floß. Da hörten sie von unten, wie die Eisentür mit dumpfem Dröhnen zuschlug, als wäre eine Gruft geschlossen worden. In diesem Augenblick erlosch das Licht im ganzen Turm. Im Dunkeln versuchten sie sich die Stufen weiter hinaufzutasten, aber sie kamen nicht weit. Das schon vorher recht starke Dröhnen der Sendeanlage schwoll immer weiter an und wurde zu einem infernalischen Heulen. Luise und Günter hielten sich verzweifelt beide Ohren zu. Es drang ihnen trotzdem durch Mark und Bein und nagelte sie auf den Stufen fest. Das Heulen erreichte Frequenzen, die gleichzeitig wahnsinnig hoch und zerstörerisch niedrig waren. Der Beton des Turmes begann zu bröckeln und zu rieseln, wie eine Sandburg, die zulange der Sonne und dem Wind ausgesetzt war.
    Armand umfingen unermesslich süße sphärische Klänge. Diese Klänge versprachen ihm alle Schönheit dieser Welt. Jede Zelle seines Körpers fühlte sich von der Quelle dieser ergreifenden Melodien unaufhaltsam angezogen. Er hatte noch nie Vergleichbares erlebt. Armand vermeinte die Wasser der Wahrheit auf seiner Haut deutlich zu spüren wie einen leichten, erfrischenden Frühlingsregen. In völligem Dunkel war Armand jubelnd die Stufen des Turmes hinaufgeflogen, ohne auch nur einmal zu stolpern. Auch spürte er keine Anstrengung. Er träumte ja. Armand war sich völlig sicher, dass er träumte. Für die Wirklichkeit erschienen ihm die ungeheuer schönen Gefühle, die ihm die Brust zu zersprengen drohten, viel zu stark. Dann betrat er die obere Plattform. Die letzte warnende Instanz verstummte andächtig angesichts der imposanten Größe des Turmes, und seiner eigenen, lange verlorenen Größe. Plötzlich wusste er, was er da geschaffen hatte. Etwas von ihm Abgetrenntes, ungeheuer Starkes, Mächtiges, drängte zu ihm zurück, überschwemmte ihn mit dieser wahnsinnigen Energie, die er bei seiner Schöpfung in den Turm hineingelegt hatte. Armand empfand diesen Vorgang wie eine Wiedergeburt. Von neuer ungeahnter Kraft getragen, schritt Armand frei voran dem Rand der Plattform entgegen, gemessen, ruhig, wie ein König alter Zeit den Balkon seines Palastes betreten haben mochte, um aus luftiger Höhe seine Untertanen zu begrüßen. Und ihm war, als atme ihn die Luft unendlicher Freiheit und Allmacht an. Er fühlte sich losgelöst von allen Grenzen, die seinen schwachen menschlichen Körper knechteten. Zu seinen Füßen lag der kleine Ort im sanften Mondlicht, wie ein Spielzeugstädtchen. Über ihm segelten die großen Wolkenschiffe, hinter denen die Sterne lustig blinkten. Das war sein eigentliches Ziel, das zu erreichen er sich schon immer insgeheim ersehnt hatte. Die Unendlichkeit des Kosmos erschien seinem Bedürfnis nach Freiheit angemessen.
    Und er riss die Arme nach oben und stieß sich ab, um für immer in die Freiheit des Kosmos einzutauchen. Armand war sich ganz sicher, dass der Mond lächelte, als er sprang. Während er seiner Freiheit entgegen flog, versuchten Günter und Luise immer noch im Dunkeln die Stufen zu erklimmen. Sie kamen zu spät, viel zu spät.
    Der Turm wurde geschlossen, die Generatoren, alles, was noch anderweitig zu gebrauchen war, wurde demontiert und später in den Turm eingebaut, den ein anderer Architekt entwarf.
    Dieser Turm stand nur noch da. Ein nichtssagendes Baudenkmal. Von den Einheimischen kam keiner gerne in seine Nähe. Ab und zu trafen sich Jugendliche in seinem Schatten, um Feste zu feiern, bei denen sie Erwachsene nicht gerne dabei hatten.
     

Nur die Kleider trauern
    9.00 Uhr.
    Radio Elf gab sich alle Mühe, um Friederike diesen Vormittag zu erleichtern. Zunächst mit einer Interviewsendung, die deutlich zeigte, wie wenig Frauen sich von Männern verstanden fühlen. "Was ist Ihr Lebensziel?", fragte die Moderatorin wahllos alle möglichen Frauen. Die meisten waren verheiratet. Eine Frau fand Friederike besonders lustig. Offenbar handelte es sich um eine junge Mutter.
    "Nett, dass Sie mich fragen", sagte die Frau mit angenehmer, aber etwas angestrengter Stimme ", Sie sind die Erste."
    "Heute Morgen?", fragte die Moderatorin, die offenbar noch nicht richtig warmgelaufen war.
    "Nein, überhaupt! Sie sind der erste Mensch in meinem Leben, der mich fragt, was ich vorhabe. Ich kann Ihre Frage nicht

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