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Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Titel: Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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beruhigend zu, sagte kein Wort und hielt ihn fest. Eine Stunde später wusste Eben, dass sie Elke hieß, als Leiterin eine Gruppenfreizeit beendet hatte und noch zwei Tage der Ruhe frönen wollte, bevor sie selbst zurück nach Hamburg fuhr.
     
    Sie saßen an Ebens Tisch. Mephisto hatte seinen brutalen Zug noch gespeichert. Aber Eben stellte den Computer ab. Mephisto hatte Zeit. Elkes schwarzes Haar wirkte in der prallen Sonne wie mit Silber durchsponnen. Vielleicht bekam sie auch nur schon das ein oder andere graue Haar. Erzieherinnen haben keinen leichten Beruf. Elke hatte nicht gefragt, und Eben kämpfte immer noch mit sich, ob er ihr von seiner Krankheit und von seinem Kampf mit dem schwarzen Nichts erzählen sollte. Aber er tat es nicht. Augenscheinlich glaubte sie, er habe einen vorübergehenden Schwächeanfall am Wasser erlitten, und dabei wollte er es vorerst auch belassen.
    Alles Dunkle, Bedrückende schien in ihrer Gegenwart wie weggewischt. Sie plauderten, schwiegen und fühlten sich wohl. Es war, als hätten seine Krankheit und ihre Freizeit allein dazu gedient, sie beide zusammenzuführen. Auch nach dem Abendessen blieben sie zusammen und wie selbstverständlich führte Elke Eben, als es dunkel wurde, auf ihr Zimmer. Sie schlief in einem der großen Nebenhäuser, in dem die Gruppen untergebracht waren. In ihrem kleinen Leiterzimmer entzündete Elke eine Kerze und stellte sie vor den Spiegel über dem Waschbecken. Die leisen Laute der Nacht und des Waldes erfüllten den Raum, und das Licht der Kerze tat sein Bestes, um alle Konturen aufzuweichen, irgendwie vage und unbestimmt zu machen, ihnen die reale Härte zu nehmen. Ihre stimmungsvolle Zärtlichkeit führte sie hinweg, Elke aus der Härte ihres Berufes, Eben aus der Tristesse seiner Krankheit. Zärtlichkeit ist eine gute Fee, die Auserwählte in einen Zauberwald zu führen pflegt, an einen Ort, an dem keiner fragt, woher und warum, und wo Wünsche einfach deshalb in Erfüllung gehen, weil sie da sind. Die Fee meinte es gut. Elke und Eben wurden immer intensiver und leidenschaftlicher. Der Zauber der Nacht geriet nur einmal ins Wanken. Als Eben sanft in Elke eindrang, kam in ihm wieder dieser wellenartige Klang auf, der ihn schon am Nachmittag so geängstigt hatte und den er sicher Zeit seines Lebens nicht mehr vergessen würde. Was an diesem Abend offenbar durch die intensive Zartheit der Situation in tiefere Schichten seiner Seele zurückgedrängt worden war, schwoll in diesem Augenblick wild in ihm an, benahm Eben den Atem und presste schreckliche Angst in sein Herz. Eben erkannte mit Entsetzen, dass die dunklen, unabsehbaren Tiefen an der Schwelle lustvoller Bewusstlosigkeit, am Tor taumelnden Liebesgenusses ebenso lauerten wie in den tiefen Schichten eines Sees. Vielleicht nahm Elke sein Zögern wahr, vielleicht erfühlte sie es in seinen irgendwie verkrampfenden Bewegungen. Sie reagierte jedenfalls ihrem Gefühl entsprechend, passte sich seinem Zögern an, als sei das Zögern nicht etwa aus Angst geboren, sondern sei ein bewusstes Herauszögern des Verströmens. Sie vermied intuitiv alles Drängen und Fordern, alles, was auch nur entfernt an jenen tödlichen Sog erinnern konnte, dem Eben ja in anderen Situationen mehrere Male nur mit knapper Not entkommen war, und schaffte damit der einzigen Kraft Raum, die in der Lage ist, den schmalen Grat mit traumwandlerischer Sicherheit zu finden, der zwischen den Menschen und dem dunklen Abgrund liegt. Elke schien sogar jedes Schwanken auf dem dünnen Drahtseil grazil und direkt in reine Lebensenergie umsetzen zu können. Sie nutzte ihre Gefühlsdynamik zu mitreißenden Bewegungen und Berührungen. Die führten dazu, dass sie gleichermaßen mit einem kraftvollen Schwung über den dunklen Abgrund hinweg setzen konnten. Sie wurden beide immer stärker in die unglaublich schönen Rhythmen der Erfüllung gerissen. Als sie erschöpft voneinander abließen, erschien ihnen die Stille um sie herum beinahe vorwurfsvoll. Sie fassten einander an den Händen, wie um sich zu versichern, dass sie das gerade Erlebte auch wirklich beide gewollt hatten und nicht etwa einer von ihnen beschämt oder überfordert zurückgeblieben war. Aber alles war richtig und schön. So nahmen sie die Stille wie eine unendlich kostbare Decke, hüllten sich heimelig in sie ein und schliefen tief und fest.
    Ihre Vertrautheit überdauerte die Nacht, und sie konnten sich am nächsten Morgen mit Freude ansehen. Elke und Eben frühstückten mit

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